Erlebnisbericht aus dem Vinschgau – Juni 2023

Erlebnisbericht aus dem Vinschgau – Juni 2023

Ein Abenteuer auf einem Bergbauernhof im Vinschgau in Südtirol

Zusammen mit meiner Tochter habe ich 10 Tage freiwillig gegen Kost und Logis auf fast 1300 Höhenmeter auf einem Bergbauernhof geholfen und diese eigene Welt und vieles mehr kennenlernen dürfen, wofür ich sehr dankbar bin.

Der Hof lag im Naturpark Stilfser Joch. Das Vinschgau ist landschaftlich eine Augenweide. Am Berg wird der bekannte weiße Göflaner Marmor abgebaut.

Was wirklich für eine Arbeit dahintersteckt, habe ich bei unserer Anmeldung nicht geahnt und nicht vermutet.
Dass wir keinen Urlaub in dem Sinne machen werden, war uns schon bewusst.

Unsere Gastgeber empfingen uns freundlich. Bei Kaffee und Keksen lernten wir uns kennen.
Gegen Abend gab es für uns die erste Stallrunde mit den ersten kleinen Einweisungen und der Vorstellung der Tiere mit ihren Namen. Im Stall standen zwei von sieben Haflingerstuten zur Freude besonders von meiner Tochter; sie reitet seitdem sie klein ist. Die Haflinger sind besonders hübsche Tiere und durch die Arbeit, die sie auf dem Feld und Wald verrichten, kraftvoll und sehr gut trainiert. Zum Hof gehören auch 11 Kühe, 16 Hühner und ein Hahn, 3 Katzen und ein Hofhund. Auf den Wiesen waren noch Ziegen und Schafe. Ein Schaf mit ihren Zwillingslämmern war im Stall.
Nach der Stallrunde folgte als Abendessen eine Brotzeit mit Käse, Speck und herzhaftem Brot.

Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen um 6.45h im Stall, denn bis 8 Uhr muss die Milch fertig sein, um mit der Seilbahn ein Stück talwärts zu fahren, wo der Milchwagen sie dann in Empfang nahm. Vor dem Frühstück das gärende Silofutter in die Schubkarren zu füllen war für uns neben dem Stallgeruch gewöhnungsbedürftig. Es gehörte ab sofort zu unseren täglichen Aufgaben im Stall wie viele weitere mehr. Erst wenn alles im Stall und das gilt auch sonst für die anderen Aufgaben, die zu erledigen waren, gemacht waren, gab es Frühstück bzw. Essen.

Danach starteten wir mit den unterschiedlichsten Arbeiten am oder in der Nähe des Hofes wie z.B.: Gartenarbeit, Hühnerfutter aus zerkleinerten Eierschalen vorbereiten, Heu auffüllen, andere große Heuscheune säubern und für das neue Heu vorbereiten, eine Wiese ausbessern, Gras, welches direkt am Haus war, wurde gemäht und zu Heu verarbeitet, Schafställe

 ausgemistet (das war richtig anstrengend), ausgewählte Kühe hinters Haus auf die Wiese treiben, dem Nachbarbauern zu helfen, seine Jungkälber auf die Wiese zu bringen, die Lämmer mit der Mama nach draußen zu bringen ( wie schön das war ein Lamm auf dem Arm nach draußen zu tragen), bei der Heuernte auf einer Wiese außerhalb hintereinander weg bei drohendem Gewitter zu helfen, Ausritt mit der Haflingerstute im Naturpark und viele Aufgaben mehr.
Die Aufgaben erledigte ich allein, mit meiner Tochter, mit dem Bauern und der Bäuerin, mit den Nachbarn oder bei der Heuernte mit anderen Helfern aus dem Nachbardorf.
Abends fielen wir todmüde ins Bett; mein Buch war überflüssig.
Ich hatte auch Blasen an den Händen und Füßen (nasse Füße in Gummistiefeln) und natürlich auch Muskelkater durch die körperliche Arbeit.
Es ist unglaublich was und wieviel auf dem Hof gearbeitet, repariert und geholfen werden muss. Der Bauer und insbesondere sein ältester Sohn zeigen Kraft, Ausdauer, Geschick, Wissen, Ideen, Risiko, Spontanität, Einsatz, Geschick, Flexibilität und vieles mehr für ihre Arbeiten am Hof. Das hat mich sehr beeindruckt.

Das alpenländische Essen war immer sehr lecker und reichhaltig. So konnten wir unsere Akkus nach getaner Arbeit immer wieder gut aufladen. Die Mahlzeiten wurden gemeinsam und in Ruhe eingenommen, so dass sich in dieser Zeit viele interessante Gespräche ergaben.
Wir konnten alle Fragen zur Landwirtschaft, zu den Tieren, zu der Umgebung, zum Leben in Südtirol stellen, die uns immer beantwortet wurden.
Im Gegenzug erhielten wir auch von ihnen Fragen zu unserem Leben in der Stadt. Sehr interessiert zeigten sie sich auch über die Ereignisse zur Zeit des Mauerfalls in Berlin. Da konnte ich als Zeitzeugin aus dem sog. Nähkästchen plaudern.

Nach dem Mittag gab es eine kurze Verschnaufpause, die auch unsere Gastgeber für sich genutzt haben.

Zum Ende unseres Aufenthaltes kam die Anfrage unserer Gastgeber, ob wir doch nicht bitte verlängern könnten. Um das Haus herum werden jetzt die Wiesen gemäht und das Heu gemacht. Sie wünschten sich noch so sehr unsere Hilfe. Unsere Bäuerin erzählte voller Stolz im Dorf von uns. Das meinte sie so wie sie es sagte, einfach mit ganz viel Herz!

Nach meiner Rückkehr wurde ich oft gefragt, ob ich so einen Einsatz wiederholen würde.
Wenn sich wieder privat so eine Gelegenheit ergeben sollte, sage ich dazu auch ja.
Warum? Körperliche Arbeit in einer wunderschönen Umgebung mit offenen und herzlichen Gastgebern tut gut. Ich fühle mich nach diesem Einsatz nicht körperlich erschöpft und müde, sondern eher fit und offen für neue Aufgaben und Ideen für das Leben. Bei so einem Einsatz muss man offen sein für neues. Das ist nicht für jeden etwas. Besonders schön war es, dieses Abenteuer als Mutter-Tochter-Urlaub.

Als Reaktion auf unsere Erlebnisse kam zum Teil, dass man diesen Einsatz gar nicht leisten kann, weil die Kraft dafür nicht vorhanden sei.
Dem kann ich nur widersprechen, denn auch ich bin keine Superwoman, ausgestattet mit besonderen Kräften. Jede Kraft reicht aus, jede Hilfe ist willkommen, es sei denn man lässt sich auch wirklich auf so ein Abenteuer ein.