Bauernzeitung – August 2025

Bauernzeitung – August 2025

Wo helfen glücklich macht – Freiwillige am Bauernhof 

Freiwillig auf einem Bergbauernhof mit steilen Wiesen arbeiten klingt im ersten Moment anstrengend und das ist es auch. Dennoch finden sich jährlich etliche Helfer, die dies gegen Kost und Logis tun. So auch am 1.457 Meter hoch gelegenen Oberpursteinhof im Südtiroler Ahrntal.

Katharina Berger:
Der Arbeitstag beginnt um 6 Uhr morgens, denn zu­erst müssen die zwölf Milchkühe gemolken werden. Nach einem kräftigen Früh­stück geht es hinaus auf die steilen Bergwiesen. Die meisten Flächen, die bis zu 60 Grad Steigung aufweisen, können mit dem Motormäher gemäht werden. An besonders steilen oder schwer zugänglichen Stel­len kommt aber auch noch die Sense zum Einsatz. Mit den Muli kann lediglich auf den Wegen gefahren werden. Das Futter gelangt per Hand dort­hin.

Freiwillige Arbeitseinsätze
So sieht ein Tagesablauf während der Heuernte am Oberpursteinhof in Sand in Taufers im Südtiroler Ahrntal aus. In dieser Zeit ist der knapp 20 Hektar (davon zwölf Hektar Wald) große Betrieb auf frei­willige Unterstützung angewie­sen. Im Laufe des Sommers kommen fünf bis acht verschie­dene Leute auf den Hof und helfen dem Bergbauern Rein­hold Volgger. Dieser hat 1988 den Milchviehbetrieb von sei­nen Eltern übernommen. „Ich bin seit es den Verein ‚Freiwil­lige Arbeitseinsätze gibt dabei, also seit mittlerweile 29 Jahren. Ohne diese Unterstützung wür­de ich es kaum schaffen“, er­zählt Volgger. Klaus Müller- Pfannenstiel aus dem Ruhrge­biet in Deutschland ist einer dieser Helfer. Der 62-Jährige ist heuer zum ersten Mal für zwei Wochen am Oberpursteinhof. Dass er sich freiwillig für eine solch anstrengende Arbeit ent­scheidet, erklärt er so: „Viele Menschen suchen nach einer körperlichen Herausforderung, ohne dafür bezahlt zu werden. Hier auf dem Hof ist es durch die steilen Hänge körperlich extrem anstrengend. Aber wenn ich abends ins Bett gehe, bin ich glücklich, weil ich sagen kann: Heute habe ich etwas geschafft.“ Es gebe einem per­sönlich viel mehr, wenn man dieses Anspruchsdenken bei­seitelasse und es für einen gu­ten Zweck mache. Das ist laut Müller-Pfannenstiel viel wert­voller, als Geld dafür zu be­kommen.

Nur ein Schnitt pro Jahr
Auch wenn sich die Arbeits­verhältnisse in den letzten Jah­ren etwas verbessert haben, werden die steilen Wiesen vom Oberpursteinhof nur einmal jährlich gemäht. Genug Futter für das Vieh bekomme der Landwirt aber dennoch. „Ich bin hier am Hof geboren und bin die Arbeit von klein auf gewöhnt.“ Trotzdem ist Volgger froh, wenn er nicht mehr alles mit der Sense mähen muss. Auch muss das Heu bei beson­ders steilen Wiesen nicht mehr wie einst mit einer Rückentrage den Hang hinaufgetragen, son­dern kann mittels Seilwinde heraufgezogen werden.

Ein Urlaub mit Blick hinter die Kulissen
Für Klaus Müller-Pfannen­stiel ist diese Zeit wie ein Ur­laub, aber auf eine andere Art und Weise: „In den meisten Reisekatalogen wird alles idea­lisiert, hier aber lerne ich die Menschen und deren Arbeit kennen. Dass das Landschafts­bild so schön ist, verdanken wir den Bauern.“ Er selbst ist stolz darauf, hierfür einen klei­nen Beitrag zu leisten. Laut Reinhold Volgger kom­men sehr viele Freiwillige ein zweites Jahr. Auch Müller-Pfan­nenstiel kann sich gut vorstel­len, im kommenden Jahr erneut zu helfen. Bislang hatte Volgger noch nie Probleme mit den Hel­fern, alle waren motiviert und gaben ihr Bestes. „Ich bin nach wie vor mit den meisten Frei­willigen in Kontakt, auch mit denen, die schon vor Jahren hier waren.“ Lachend erzählt er auch, wenn er alle besuchen würde, dann wäre er mehrere Wochen unterwegs. Ein Urlaub gehe sich für den Bergbauern allerdings so gut wie nie aus.

Etwa 250 Bergbauernhöfe werden unterstützt
Die Südtiroler Bergbauern­hilfe ist eine Initiative des Bauernbundes und wurde 1996 gegründet. Im vergangenen Jahr meldeten sich knapp 1.600 Freiwillige. Die meisten davon stammen aus Deutschland, ge­folgt von Südtirol selbst, Italien, Österreich, der Schweiz und anderen Ländern. Die Ge­schlechterverteilung ist aus­gewogen, mit einem leichten Überhang der Frauen. Die meis­ten sind entweder Studenten oder Pensionisten. Im Vorjahr suchten etwa 253 Bauern bei d er Bergbauernhil­fe um Unterstützung an, die meisten davon aus dem west­lich gelegenen Vinschgau. Ins­gesamt wurden 15.254 Einsatz­tage registriert, was die Be­deutung der Freiwilligen-unterstützung in Südtirols Landwirtschaft hervorhebt.

Situation in Österreich
In Österreich gibt es auch die Mög­lichkeit, sich freiwillig in der Land­wirtschaft zu engagieren. Vorreiter ist das Konzept „Freiwillig am Bau­ernhof“, welches 2004 in Tirol als institutionsübergreifendes Projekt gegründet wurde. Seit 2006 wird es vom Maschinenring abgewickelt und hat sich inzwischen auf weitere Bundesländer ausgedehnt. Knapp 500 Einsätze auf etwa 100 Betrie­ben werden pro Jahr verzeichnet.

Südtirols Landwirtschaft
In Südtirol gibt es insgesamt 20.023 landwirtschaftliche Betriebe, mehr als 11.000 davon sind Bergbauern. Die restliche Fläche wird von Obst- und Weinbauern bewirtschaftet.