
19 Aug. Dolomiten – August 2025
„Die Bauern hört man nie jammern“
BERGBAUERNHILFE: Der Grödner Walter Weithaler war bei Katharinaberg tätig
KATHARINABERG (az). Ob auf dem Feld, im Wald, im Stall oder in der Küche: Walter Weithaler schwärmt von seinen Freiwilligeneinsätzen bei Südtiroler Bergbauern. Und er betont, wie sehr diese Erfahrung ihn persönlich bereichert.
Die Sonne brennt dir gnadenlos „ins Gnagg“, der Hang ist derart steil, dass man ständig um Halt ringen muss, abends fällt man erschöpft ins Bett. Sehr wohl aber auch glücklich und mit dem Bewusstsein, ein anständiges Tagwerk vollbracht zu haben. Derartige Eindrücke weiß Walter Weithaler von seinem aktuellen Freiwilligeneinsatz beim rund 1.700 Meter hoch gelegenen Schroflhof oberhalb von Katharinaberg am Eingang des Schnalstales zu berichten. „Die Feldarbeit hört eigentlich nie auf, ich habe große Hochachtung davor, was die Bauern in diesen Lagen leisten, wie sie ganz nebenbei die Landschaft pflegen“, sagt Walter Weithaler. Heuer hat er hauptsächlich bei der Heuarbeit angepackt, glücklicherweise habe das Wetter im Juni mitgespielt. Die steilen Hänge wurden Großteils mit dem Buggelmahner gemäht. Als Hobbykoch hat er sich oft und gerne in der Küche betätigt und bereitete der Bäuerin damit eine große Freude. Nur im Stall habe es wenig für ihn zu tun gegeben, die Stallarbeit haben die Bauersleute vielfach selbst erledigt. Walter Weithaler ist einer von etwa 120 gemeldeten Freiwilligenhelfern aus Südtirol, die in ihrer freien Zeit den Südtiroler Bergbauern unter die Arme greifen. Der fröhliche Grödner wird heuer 65, erst kurz vor seiner Pensionierung ergab sich für ihn die Gelegenheit, einem Bauern in Weißenbach bei der Holzarbeit zu helfen.
Der ehemalige Landesrat Florian Mussner hatte ihn dazu überredet. „Als ich 2020 definitiv in den Ruhestand gegangen bin, hatte ich endlich die notwendige Zeit für Freiwilligeneinsätze zur Verfügung“, blickt Weithaler zurück und zählt seine bisherigen Stationen auf: Ahrntal, Pflersch, Toblach, Pfunders, Kastelbell und nun mehrere Male das Schnalstal.
Früher ging er seiner Arbeit in einem gewöhnlichen Bürojob nach, heute genießt er förmlich die Erfahrungen in einer völlig anderen Welt. Zwei Welten, beide aber Realität in Südtirol. „Die Bauern hier stehen um fünf Uhr morgens auf und haben bis abends kaum fertig, aber man hört sie nie jammern“, weiß er zu berichten. Ginge es nach ihm, würde er den Bergbauern die nötigen Maschinen kostenlos zur Verfügung stellen, denn es könne doch nicht sein, dass viele einem Nebenerwerb nachgehen müssen. Einen Hof zu erhalten, erweise sich mehr denn je als Husarenstück.
Und trotzdem: Wie der 64-Jährige oft beobachten konnte, strahlen die Bergbauern Zufriedenheit und Glück aus. Womöglich hat das mit Ganzheitlichkeit zu tun, ein heute viel zitierter Begriff: Am Schroflhof werden Schafe gemolken, Schweine für den Eigenbedarf geschlachtet und ab und zu Brot gebacken. Das frische Gemüse aus dem Garten, die besonderen Ausblicke ins darunterliegende Tal und der Blick zum mächtigen Gipfel der Weißkugel am Similaun – all das sind kleine Erinnerungen, die man über Jahre mit sich herumträgt. Bereichernd findet Walter Weithaler zudem die Gespräche mit der Familie, die sich während der Mahlzeiten ergeben. „Diese Erfahrung kann ich jedem ans Herz legen, sie ist ungemein bereichernd“, lässt der Grödner durchblicken. Für sich selbst hat er jedenfalls eine sinnstiftende Aktivität gefunden, er freut sich bereits auf die kommenden Einsätze. Walter Weithaler ist ein Berg- und Naturmensch. Als solcher empfindet er die Freiwilligeneinsätze mehr als Genuss, denn als Arbeit.
„Die Arbeit ist hart, aber erfüllend“
FREIWILLIGE: Nina und Volker Gleber haben am Vinschger Sonnenberg geholfen
TANAS (az). Bereits seinen fünften Freiwilligeneinsatz auf einem Südtiroler Bergbauernhof hat das Paar Nina und Volker Gleber aus Hessen geleistet. Die beiden Lehrkräfte empfinden das Anpacken als erfüllend und sinnstiftend. „Die Arbeit mit den Tieren und in der freien Natur bereitet mir viel Freude, vor allem abends blickt man mit Genugtuung auf das Geleistete zurück“, erklärt Nina Gleber (43) die Tatsache, warum sie zusammen mit ihrem Mann Volker (50) zum wiederholten Male mit all ihren Kräften Vinschger Bergbauern unterstützt. Ihr allererster Einsatz war in Schlinig, heuer waren sie bereits zum vierten Mal am Mühlhöfl von Thomas Alber. Der am Sonnenberg auf einer Höhe von etwa 1.400 Meter gelegene Hof ist von ziemlich steilen Hängen umgeben. Wie an solchen Höfen üblich, beginnt die Arbeit frühmorgens und geht tagsüber nie aus. Und so werden Nina und Volker für zwei Wochen täglich um 6.15 Uhr von krähenden Hähnen und schrillenden Weckern aus dem Bett geholt, um auszumisten und die Kuhherde auf die umliegenden Weiden zu treiben. Danach gibt’s Frühstück, ehe alle möglichen Aufgaben anstehen: rund um den Hof aufräumen, Holz- und Gartenarbeiten, Trockenmauern setzen, vor allem aber bei der Heuernte mithelfen. Mittlerweile haben wir das Mähen, Verteilen und Einbringen ziemlich gut drauf”; Sagt Volker. Für keine Arbeit sind sich die beiden Lehrkräfte zu schade, und zum Arbeiten seien sie doch hier.
Sogar Käseputzen steht ab und zu auf dem Programm. Lediglich beim Melken bleiben sie aufgrund der strikten Vorgaben der Lebensmittelhygiene außen vor. „Die Arbeit ist hart und körperbetont, keine Frage, für uns aber erfüllend und sehr interessant”, sagt Volker. Es sei entspannend, endlich mal keine Entscheidungen treffen zu müssen, sondern „nur“ abzuarbeiten, es sei auch unheimlich erfüllend, wenn man am späten Nachmittag vor einer sauberen Wiese oder satten Wiederkäuern stehe. Schnell merkt man, wie ernst sie ihren Einsatz am Hof nehmen. Wohl gerade deshalb haben sie gefunden, was sie hier suchen: das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein, die Kräfte der Natur zu verspüren. Die festen Strukturen und vor allem die Ruhe der Bergwelt verleihen frische Energie, versichern sie. Bleibende Eindrücke hinterlassen auch festliche Anlässe in der Familie. Und das Essen? „Bäuerin Greti ist eine fantastische Köchin, die Marillenknödel oder das selbst gebackene Brot sind wahre Leckerbissen“, zeigen sich die beiden begeistert. Somit fühlen sie sich als Teil der Bauernfamilie, die neben Thomas, seiner Frau und seinen beiden Eltern auch zwei kleine Kinder umfasst. Den “Vollgasdialekt des Ortes” verstehen sie zwar nicht, aber das mache nichts.
Auf die Möglichkeit der Freiwilligeneinsätze kamen Nina und Volker durch Zufall, die Abwicklung und das gesamte Projekt sind in ihren Augen ideal. „Wir selbst stimmen uns durch eine längere Wanderung auf unseren Einsatz ein“, erklären sie, „um körperlich und mental bereit zu sein.“ So sind sie heuer zu Fuß von Liechtenstein bis in den Vinschgau gewandert. Zurück nach Wiesbaden geht’s dann mit dem Zug. Dort berichten sie dann ihren Schülern und deren Eltern von einem Südtirol, das gleichermaßen Erstaunen wie auch großes Interesse hervorruft.
Gewusst?
Die Helfer
Fast die Hälfte aller Helfer ist den Altersgruppen der Jahrgänge 1950 und 1960 zuzurechnen. Fast 80 Prozent kommen aus Deutschland. Im Hinblick auf die Geschlechterverteilung überwiegen knapp die Frauen (50,9 Prozent).
Zwischen 270 und 320 Bergbauernhöfe
in ganz Südtirol werden jedes Jahr vom Verein Freiwillige Arbeitseinsätze betreut. Dieser verfolgt das Ziel, Bergbauernfamilien zu unterstützen, die in eine Notlage geraten sind oder die sich in extremen Lagen befinden. Die Gründung des Vereins reicht bis ins Jahr 1996 zurück, noch heute sind die vier Gründerorganisationen Südtiroler Bauernbund, Diözesan Caritas, Lebenshilfe und Südtiroler Jugendring die Träger. Geführt wird der Verein von Obmann Georg Mayr.