Dolomiten – Juli 2024

Dolomiten – Juli 2024

„Da taugt’s mir einfach“
LANDWIRTSCHAFT: Hubert Wörndl aus Bayern hilft am Oberpursteinhof mit – Mayr: Gibt viel fürs Leben

 

VON BRIGITTA WILLEIT

Hier brauchen sogar die Hennen Steigeisen, weiß der Volksmund. Was oft leicht dahingesagt ist, stimmt am Oberpursteinhof hoch über Sand in Taufers wirklich. Steil fallen die Wiesen ins Tal, hier zählt Handarbeit mehr als jedes noch so moderne landwirtschaftliche Gerät. Jemand, der diese Handarbeit nicht scheut und gerne mithilft, ist Hubert Wörndl aus Bayern. Eine gute Woche dauert sein freiwilliger Arbeitseinsatz auf dem Oberpursteinhof.

Hubert Wörndl ist heuer schon zum dritten Mal auf dem abgelegenen Hof, zu dem sich eine kurvenreiche und steile Straße von Sand in Taufers 4 Kilometer hinauf auf 1460 Meter Höhe zieht. Dabei habe er sich damals vor 10 Jahren, bei seinem ersten freiwilligen Arbeitseinsatz in Südtirol, eigentlich vorgenommen, jedes Jahr auf einem anderen Hof zu helfen. Am Oberpursteinhof ist er aber gewissermaßen hängen geblieben. „Da taugt’s mir einfach“, sagt der 59-Jährige vom Chiemsee, der normalerweise Kfz-Meister ist und in einem Autohaus arbeitet, und gerade unterwegs in die Wiese zum Heueinbringen ist.
2013 hat er im Fernsehen einen Bericht über den Verein Freiwillige Arbeitseinsätze in Südtirol gesehen und sich begeistern lassen. „Ich kannte Südtirol natürlich, war hier im Urlaub gewesen und hatte da die Höfe ganz oben auf den Bergen gesehen und mich gefragt, wie die Arbeit an den Steilhängen überhaupt möglich ist“, erzählt er. Ein Jahr später stand er selbst an so einem Steilhang – sein erster Einsatz führte ihn nach Afers bei Brixen. „Das waren sehr nette Leute. Wenn wir nicht auf dem Feld zu tun hatten, dann machten wir das Holz oder reparierten die Maschinen“, erzählt er.
Es blieb nicht bei diesem einen Hilfseinsatz. Wörndl kam wieder – immer auf einen anderen Hof. „Es war überall steil, und ich hätte nicht gedacht, dass es noch steiler geht – bis ich hier auf dem Oberpursteinhof stand“, erzählt er und blickt hinunter auf die brettlebenen Felder des Tauferer Talbodens.

„Auch wenn es EU-Geld für Bergbauernhöfe gibt – damit ist das Heu nicht im Stal.“
Georg Mayer, Verein Freiwillige Arbeitseinsätze

6 Hektar Wiesen gehören zum Hof von Reinhold Volgger (64). Sie werden 2 Mal gemäht und geben das Futter für die 12 Melkkühe in seinem Stall. Viele technische Hilfsmittel braucht er hier heroben nicht: eine Mähmaschine mit Raupenrädern, einen Heumax und einen Transporter – das meiste muss hier mit der Hand bzw. dem Rechen gemacht werden. Zumindest durchziehen mittlerweile einige schmale Wege die Wiesen, auf denen der Transporter das bis dorthin gerechte Heu aufnehmen kann. „Früher musste alles mit der Heukraxe in den Stadel getragen werden“, erzählt der Bauer.
Ohne helfende Hände wäre er aufgeschmissen. Und die bekommt er seit der Gründung des Vereins Freiwillige Arbeitseinsätze Mitte der 1990er-Jahre auch von dort. „Ich kann mich noch gut an den Luis aus dem Sarntal erinnern“, erzählt Volgger. Der war sein erster freiwilliger Helfer, als einer von damals nur 5 im ganzen Land.
Mittlerweile sind es deutlich mehr. 1844 Frauen und Männer waren es im Vorjahr, die über 17.000 Einsatzstunden geleistet haben. Heuer haben sich bisher – Stand 30. Juni – 1344 Helfer für einen Einsatz auf einem Bauernhof gemeldet. Und jeder, der diesen Sommer noch mithelfen will, wird dringend gebraucht. „In unserem Land gibt es zahlreiche Bergbauernhöfe in Extremlagen, auf denen viel von Hand zu arbeiten ist. Das kann man mit einem Bauern in einer Gunstlage im Tal nicht vergleichen“, sagt Georg Mayr, der Obmann des Vereins Freiwillige Arbeitseinsätze. „Auch wenn es EU-Förderungen gibt – damit ist das Heu noch nicht im Stadel“, sagt Mayr.
In anderen Ländern seien viele Höfe längst aufgegeben worden. „Wir möchten, dass unsere Berghöfe erhalten bleiben. Davon profitiert der Tourismus, aber auch das Land selbst“, sagt Georg Mayr.
Am Oberpursteinhof haben in den vergangenen Jahren viele Helfer mit angepackt. Mitunter waren es auch mehrere im Jahr. Anfangs waren die 4 Kinder zu klein, heute sind sie aus dem Haus und gehen ihrer Arbeit nach. Wann immer es sich ausgeht, helfen sie aber daheim noch mit. Arbeit gibt es mehr als genug. Aufgrund seiner Steilheit weist der Hof mehr als die für einen freiwilligen Helfer notwendigen 60 Erschwernispunkte auf. „Bauern in Tallagen werden bei uns nicht berücksichtigt“, sagt Mayr, „wobei wir in Notsituationen, zum Beispiel bei Krankheitsfällen, auch Ausnahmen genehmigen“.

„Die Woche am Oberpurtsteinhof ist für mich, Kopf-Urlaub“
Hubert Wörndle, freiwilliger Helfer

Für ein Nebeneinkommen am Oberpursteinhof sorgen eine kleine Hofschänke und ein paar Gästezimmer; um beides kümmert sich Bäuerin Klothilde Volgger. Und ihr Mann Reinhold hat auch noch den Milchsammeldienst für die Bauern am Berg hinunter nach Sand übernommen. Er ist einer, der gerne hilft.
Deshalb gibt er die Hilfe, die er bekommt, auch wieder zurück und ist selbst als freiwilliger Helfer im Einsatz. „Ich weiß, wie dankbar man ist, wenn einem geholfen wird. Diese Dankbarkeit spüre ich auch auf den Höfen, auf denen ich geholfen habe“, sagt er und erzählt von der „Gruppe Edelweiß“, zu der zwischenzeitlich 14 bis 15 Männer und Frauen gezählt haben, die hauptsächlich an den Samstagen zu Tageseinsätzen ausgerückt sind. „Wir haben das Auto voll gemacht und sind nach Ulten, in die Sterzinger Gegend – wo immer Hilfe gerade nötig war“, sagt Volgger. Auch Erich Prenn aus Sand in Taufers ist einer aus der „Edelweiß-Gruppe“, der anpackt, wenn Not am Mann ist. Deshalb ist er auch immer wieder am Oberpursteinhof. Auch an diesem sonnigen Tag, von denen es heuer noch nicht allzu viele gab, ist er heroben und hilft Reinhold, seinem Sohn Hannes und Helfer Hubert beim Rechen in der steilen Wiese. Und wenn das Heu hoch über Sand in Taufers im Stadel ist und das Grummet noch wächst, dann kann es durchaus sein, dass Reinhold und Erich wieder ausrücken, wenn anderswo Hilfe am Hof gebraucht wird.
Das ist es wohl auch, was Hubert Wörndl meint, wenn er sagt, dass die Bauersleute vom Oberpursteinhof „ganz bsundere Leit“ seien. Mittlerweile kennt er die Leute, den Hof und seine Wiesen, weiß, wo anzupacken ist – auch wenn das Wetter, so wie heuer, nicht mitspielt. „Dann werden die Maschinen repariert, ich helfe beim Holz ,kliaben‘ und gehe in den Stall“, erzählt er. Nichts tun kommt dem Bayer nicht in den Sinn. „Er sucht sich immer eine Arbeit“, sagt Klothilde Volgger anerkennend.

Trotz körperlich wenig erholsamer Tage ist die gute Woche, die er am Oberpursteinhof verbringt, trotzdem irgendwie Urlaub – zum einen muss er bei seiner Arbeit natürlich Urlaub nehmen, zum anderen sei es für ihn „Kopf-Urlaub“, wie Wörndl sagt. 

Das wissen auch seine Frau und die 3 Kinder, die ihn seit 10 Jahren immer wieder ziehen lassen. „Ich brauche diese Tage, um den Kopf frei zu bekommen“, sagt er. Das hört auch Obmann Georg Mayr von anderen Helfern häufig. „Sie erzählen, dass sie abends zwar fix und fertig ins Bett fallen und ihnen die Tage körperlich oft alles abverlangen, aber dass der Hilfseinsatz ein schöner Ausgleich zum Büro-Alltag ist und viel fürs Leben gibt.“

Das ist auch bei Hubert Wörndl der Fall – deshalb will er nächstes Jahr wiederkommen, verspricht er und reist nach 10 Tagen ab, die ihm und den Bauersleuten auf Oberpurstein viel gegeben haben.