
30 Apr. Eichsfelder Tageblatt – April 2024
Ein Eichsfelder mit Herz für Bergbauern
Michael Otto aus Langenhagen hilft einer Bauernfamilie in Not
Von Maya Ausmeier
Langenhagen. Während andere Menschen in den Bergen Urlaub machen und ausspannen, zieht es Michael Otto aus Langenhagen aus ganz anderen Gründen in die Welt der Bergwiesen und Almkühe: Der 63-Jährige arbeitet dort, und das aus freien Stücken. Auf abgelegenen Bergbauernhöfen greift er den Menschen vor Ort unter die Arme, packt bei körperlichen Arbeiten mit an und sorgt somit dafür, dass die Existenz der dort lebenden Bauernfamilien gesichert ist. Denn diese haben es nicht immer einfach, besonders auf der Südtiroler Alm, wo Otto im vergangenen Jahr ausgeholfen hat.
„Der Senior-Bauer ist vor ein paar Jahren bei der Heuarbeit am Steilhang tödlich verunglückt, und sein 60-jähriger Sohn kann wegen einer Verletzung an der rechten Hand nicht mehr richtig greifen“, erzählt Otto die Geschichte der Bergbauernfamilie. Die Mutter, die nun verwitwet ist, sei 84 Jahre alt und könne sich auch nicht allein um den Hof kümmern.
Bergbauern von Freiwilligen unterstützt
Die Familie, von der Otto berichtet, ist nicht die einzige, der so ein Schicksal widerfahren ist. Viele Betreiber von Bergbauernhöfen in Südtirol, Österreich und der Schweiz benötigen Hilfe, um die körperlich anstrengende Arbeit auf den Betrieben zu bewältigen. Aus diesem Grund gibt es Förder- und Notprogramme in den jeweiligen Regionen, die freiwillige Helfer an die Familien vermitteln. Otto war im Rahmen dieser Programme bereits auf verschiedenen Höfen in Österreich und der Schweiz, doch seinen Platz scheint er in Südtirol gefunden zu haben.
Mühlwald heißt die Region, die der pensionierte Langenhagener Landwirt im Sommer ansteuert, um den Bergbauern und dessen Mutter zu unterstützen. Auf dem alten Betrieb in 1790 Metern Höhe gibt es zehn Kühe, die die Lebensgrundlage der kleinen Familie darstellen. „Der Bauer muss die Tiere im Sommer auf die Alpe bringen und sich um sie kümmern. Sie müssen gemolken und gepflegt werden“, erklärt Otto.
Da der Betrieb der Familie einer der höchstgelegenen in der Region der Alpen ist, sind die Wege zwischen dem Hof und der Alpe sehr steil. „Immer wieder muss man den Weg zum Hof pendeln, denn da gibt es ja auch viel zu tun: Das Futter für die Kühe muss ins Silo eingefahren und der ganze Hof bewirtschaftet werden“, erklärt der 63-Jährige.
Alles wird mit Handarbeit gemacht
Der Hof wurde vor 200 Jahren gebaut, und so wie Otto es erzählt, scheint die Zeit dort oben seitdem stehen geblieben zu sein: Maschinen gibt es bis auf einen Heusammler keine, doch auch der kann aufgrund der steilen Hänge nicht überall eingesetzt werden. Vom Melken bis zur Silobefüllung bleibt alles Handarbeit. Auch heißes Wasser ist keine Selbstverständlichkeit auf dem Bergbauernhof: Jeden Morgen muss die Mutter Wasser auf dem Herd aufkochen, damit die Milchkannen abgewaschen werden können.
Eine Menge körperliche Arbeit also, die für den verletzten Bergbauern und seine 84-jährige Mutter allein kaum machbar, aber gleichzeitig ihr einziger Lebensunterhalt ist. Der Liter Milch von den dortigen Kühen bringt der Familie 67 Cent – der Höchstpreis, aufgrund der guten Qualität.
„Natürlich ist es anstrengend, aber man wird auf keinen Fall dort überfordert. Die Leute gehen sensibel mit einem um und man bekommt eine Dankbarkeit zu spüren, die ist unglaublich“, schwärmt Otto von seinen Hilfseinsätzen. Außerdem müsse man ja nicht wie er direkt den höchsten und anstrengendsten Betrieb ansteuern: „Es gibt auch viele tiefergelegene Höfe, auf denen man als Freiwilliger aushelfen kann.“ Eine gewisse körperliche Fitness und Ausdauer solle man trotzdem mitbringen.
„Da wird der Moment gelebt“
Darüber hinaus ließen die Bergkulisse und das ganze Flair drumherum die Anstrengung schnell vergessen: „Es ist ein Privileg, in diesen wunderschönen Ort einzutauchen“, meint Otto. Die Unerschöpflichkeit der Familie beeindruckt den Landwirt zutiefst. „Man könnte mit Angst in die Zukunft blicken und am Leben verzweifeln, aber nein, da ist so viel Energie zu spüren, da wird der Moment gelebt“, beschreibt er die Lebenseinstellung auf der Alm.
Auch im kommenden Sommer wird Michael Otto wieder für drei Wochen auf den Hof in Mühlwald zurückkehren. Er erklärt, dass er gegenüber der Familie inzwischen eine Art Verpflichtung spüre. „Ich habe die Not dort gesehen und will helfen“, sagt er. Außerdem wolle er andere Menschen für die Projekte zur Bergbauernhilfe begeistern, denn es werden jedes Jahr weitere Freiwillige gesucht.