Erlebnisbericht Sommer 2014

Erlebnisbericht Sommer 2014

Eine Woche auf einem Bergbauernhof im Sarntal

Samstag, den 26.07.2014 sind wir bei gutem Wetter in Köln losgefahren, morgens um 5 Uhr. Während der Fahrt beginnt es irgendwann zu regnen. Eigentlich wollen wir gegen 15:00 Uhr ankommen, aber wir verspäten uns um etwa anderthalb Stunden, weil überall Stau ist.
Wir befinden uns noch immer auf der alten Brennerstraße, es regnet in Strömen und es geht nicht vorwärts. Wir rufen beim Bauern an, um zu sagen, dass es später wird. Er solle jedoch keine Rücksicht auf uns nehmen und seiner Arbeit nachgehen, im Notfall würden wir eben auf ihn warten. Wie bereits bei unseren vorangegangenen Telefonaten ist er nicht besonders gesprächig. Er meint nur: „Aber heute noch?“ „Ja heute noch“, lautet unsere Antwort, und ich weiß nicht, ob ich über diesen Satz schmunzeln soll oder nicht.

Endlich kommen wir aus dem Verkehrsgetümmel heraus. Wir fahren eine Passstraße hinauf (übers Penser Joch, wie wir später erfahren). Teilweise steil und recht lange schlängelt sich die Straße in Serpentinen hinauf. Oben ein Plateau und mittendrin ein großes Haus. Ein paar Schafe und Kühe, sonst alles karg. Welch Einöde. Auf der anderen Seite dann wieder herunter. Langsam die ersten Häuser und endlich das Sarntal. Ein größerer Ort und dann ein kleines Dorf. Hiernach muss die Straße links abgehen und im Wald den Berg hinauf gehen. Und tatsächlich. Die Straße zum Hof ist etwa 7 km lang, schmal und kurvenreich schlängelt sie sich den Berg hinauf. Irgendwann dann der erste Hof, nicht der vom Bauern, denn seiner ist der letzte auf dieser Straße. Es folgen noch mehrere Höfe, teilweise kleben sie förmlich am steilen Hang. Eine kleine Kapelle, an der „unser Bauer“ mitgebaut hat, wie er uns später berichtet. Noch unzählige Kurven folgen und endlich und da ist der Hof.
Wir erkennen ihn vom Bild her, welches uns zuvor die „Bergbauernhilfe“ nebst weiteren Informationen zugesandt hatte.

Es hat endlich zu regnen aufgehört und wir fahren auf die „Einfahrt“ und steigen aus. Ich bin ziemlich nervös und gespannt wie ein Flitzebogen. Wir schauen uns um und es scheint niemand da zu sein. Wir laufen ein bisschen herum und als wir vor dem Haus stehen, öffnet sich langsam die obere Stalltür. Heraus tritt ein ziemlich kleiner Mann, kleiner als ich es bin, mit einem roten Stoffhut auf dem Kopf, in kurzen Hosen und Poloshirt. Er hat drei braune Eier in der Hand, die eines seiner Hühner mal wieder ins Heu gelegt hat. Da sollen die eigentlich nicht rein, aber irgendwie gelingt es einem von denen immer mal. Und dann heißt es Eier suchen im Heu. Er kommt auf uns zu und lächelt. So nervös ich noch vor unserer Ankunft war, so erleichtert bin ich jetzt, nach dieser ersten Begegnung. Alles ist gut.
Ganz im Gegensatz zu unseren Telefonaten beginnt er sofort zu reden und möchte uns, wo wir schon einmal draußen stehen, den Hof mit seinen Gebäuden zeigen. Er führt uns herum und zeigt uns den „Stadl“ mit Heuboden, Mittelebene mit einer Luke, den Kuhstall.
Danach ein Gebäude, in dessen unterem Teil unter anderem sein Fuhrpark untergebracht ist. Maschinen und Traktor mit Anhänger, Geräte zum Mähen, Wenden, etc. Davon hat er wirklich reichlich und man merkt, er ist auch ein bisschen stolz darauf. An der Wand hängen diverse Sensen und ein Hocker mit einer Art Amboss stehen dort zum „Dengeln“ der Sensen nachdem sie gebraucht wurden. Hierüber befindet sich auf der gesamten Ebene die

Holzwerkstatt und da staunen wir nicht schlecht. Eine Bandsäge befindet sich dort, auf der die Männer im Laufe der Woche 8 m lange Stämme in Balken und Bretter sägen.
Wir gehen zum Haus und bekommen gezeigt, wo wir schlafen und uns duschen können. Vorher haben wir schon einen Teil unseres Gepäcks aus dem Auto geholt und ich schäme mich ein bisschen, als die Koffer und Taschen gar nicht enden wollen. Was ein Haufen Kram für zwei Wochen Urlaub. Ich sehe wie der Bauer schaut und beginne sofort diese Unmengen an Gepäck damit zu rechtfertigen, dass wir ja nach der Woche bei ihm noch länger in der Gegend bleiben werden. Er lächelt und sagt, er habe tatsächlich schon schlimmeres erlebt. Für die Frau eines freiwilligen Helfers habe er zweimal ins Dorf fahren müssen, um all ihr Gepäck heraufzubekommen. Ob ich ihm das glauben soll? Ich möchte es glauben.

Dann irgendwann sitzen wir in der Küche am Tisch und reden. Zu trinken bietet er zunächst nichts an. Wahrscheinlich vergessen, denke ich. Dann schließlich die Frage, ob wir Hunger hätten. Na ja, wir waren 12 Stunden unterwegs, da könnte man tatsächlich ein wenig Hunger verspüren. Er schaut uns an und fragt, was wir denn essen könnten. Ich bin etwas verdutzt und sage: „Hm, wir haben jetzt auch nichts dabei.“ Er lächelt und meint, dann machen wir eben schnell ein paar Kartoffeln. Schnell einen Sack Kartoffeln aus dem Vorratsraum neben der Küche geholt. Er schneidet diese in ca. 1 cm dicke Scheiben, er lässt die Schale dran. Zack, zack in den Topf, auf den Gasherd und meint dann noch. „Die müssen jetzt kochen.“

„So ?“, sage ich. Das mit dem Kochen dauert dort oben auf 1500 m Höhe etwas länger, weil das Wasser bereits bei ca. 92°C zu sieden beginnt.
Es folgt noch eine kurze Einweisung in Küche und Vorratskammer und es zeigt sich schnell, dass hier und da ein mittleres Chaos herrscht. Eine Kiste mit Gemüse und Obst, bei der erst einmal aussortiert werden muss. Hier fällt die Entscheidung, es gibt Bohnensalat am Sonntag, denn die müssen weg.
Wir essen zu Abend, Kartoffeln, Butter (mit starker Ziegenmilchnote, nicht unser Geschmack, aber egal, der Bauer liebt sie offenbar). Dazu gibt es leckeren Tiroler Speck, wovon er in der Kammer ein Stück hängen hat, welches bestimmt 30 x 50 cm groß ist.
Anschließend geht es in den Stall, d.h. Leonie und Rüdiger gehen mit, ich mach die Zimmer klar. Armer Rüdiger. Es ist bereits nach 20:00 Uhr. Er ist beinahe zwölf Stunden Auto gefahren und hat einen Brummschädel. Aber er beißt die Zähne zusammen und geht brav mit, die Kühe zu versorgen. Im Stall geht’s dann zur Sache. 16 ausgewachsene Milchkühe, zwei Jungtiere, ein Kalb. Die möchten jetzt versorgt werden. Grünfutter, welches am Tag frisch gemäht worden ist, zuvor jedoch ein großer Haufen Heu wird durch die Luke im oberen Teil des Stadls hinuntergeworfen und landet in dem Gang zwischen den Kühen, von wo aus es dann gleichmäßig an die Tiere verteilt werden kann. Die machen einen ziemlichen Radau, das höre ich bis zum Haus. Naja, die freuen sich, dass es endlich was zu futtern gibt.

Anschließend gibt’s noch Kraftfutter. Dann beginnt der Bauer mit dem Melken und nebenbei muss noch ausgemistet werden. Hierfür hat der Bauer tatsächlich ein „Fließband“, welches den Dung nach draußen befördert, aber hier muss natürlich nachgeholfen werden. Hier wird bereits klar, es gibt keinen Sonn- oder Feiertag. Die Tiere müssen immer versorgt werden. Das dauert etwa zwei Stunden und gegen 22:30 Uhr sehe ich die drei erst wieder. Ich glaube wir sind alle vier sehr, sehr „schläfrig“, so würde der Bauer es nennen, er sagt nicht „müde“.

Es folgt dann noch eine klare Zeitansage für den darauffolgenden Tag (nein, für alle darauf folgenden Tage): Um 5:30 Uhr am Morgen geht’s wieder in den Stall. Das kurze Angebot an Rüdiger, die morgendliche Stallarbeit auszulassen, lehnt dieser vehement ab, er möchte mit. Ob er’s später vielleicht bereut, das freundliche Angebot des Bauern so leichtfertig ausgeschlagen zu haben? Frühstück ca. 7:30 Uhr, gegen 8:15 Uhr muss der Bauer mit der Milch hinunter ins Dorf zur Sammelstelle, von wo aus die Milch abgeholt wird. „Und der Milchwagenfahrer wartet nicht, eher ist es einmal anders herum“, meint Franz. Dann geht’s ins Bett, und es dauert nicht lange und wir liegen vermutlich alle vier in den tiefsten Träumen.
Als mein Handy am nächsten Morgen um 6:30 Uhr klingelt, sind die Männer bereits schon seit einer Stunde im Stall. Ich mache mich fertig, mache Frühstück und vor allen Dingen eine ganze Kanne Kaffee. Mmmh, der ist gut. Ich trinke ihn vor dem Haus und schaue dabei ins Tal hinunter und freue mich, dass ich die Berge sehen kann. Der Ausblick ist wirklich wunderschön und wie sich am nächsten Tag herausstellt, kann man an Tagen mit klarer Sicht sogar die schneebedeckten Berge im Trentino sehen, was auch immer es ist, vielleicht der Marmolata? Ich weiß es nicht, aber es ist einfach sehr, sehr schön.

Die Männer kommen aus dem Stall und bringen eine Kanne frische Milch mit. Das geschieht jeden Morgen. Nach dem Frühstück machen sich die beiden auf den Weg ins Dorf und ich überlege, was es denn für mich zu tun gibt. Ich mach mich erst einmal schlau, was sich wo in den Schränken befindet. Was koche ich heute? Ach ja, Bratkartoffeln sind immer gut zu Bohnensalat. Dazu tüchtig Tiroler Speck und Zwiebeln. Zwei kleine Zucchini und ein paar Tomaten sehen auch nicht mehr so ganz astrein aus, also landen sie ebenfalls in einer Pfanne und werden geschmort.
Währenddessen kümmern sich die Männer nach ihrer Rückkehr aus dem Dorf um einen Hang oberhalb des Hauses und mähen das Grünfutter für die Kühe. Da kommt wirklich eine Menge zusammen. Ein paar Äste eines Baumes, der am Wegrand steht, werden noch abgesägt und gleich anschließend in Brennholzformat gebracht. Die Sonne scheint abwechselnd zwischen ein paar Wolken hindurch und es ist schön und bedeutend wärmer als am Vortag. Der Bauer sagt: „ Es ist doch komisch, manchmal sind die Wolken so nah, dass man meint, man könne sie anfassen“. Damit hat er verdammt recht.

Leonie kümmert sich unterdessen auch um die Tiere, die ganz kleinen. Vor dem Haus faulenzt nämlich oft in der Sonne eine Katzenfamilie, zwei Mamas, drei Kitten und ein roter Kater wohnen nämlich auch auf dem Hof. Die kleinste sieht aus wie unsere Paula, so klein, dass wir sie sofort mit dem Namen „Floh“ taufen. Sie ist deutlich kleiner als die anderen beiden Kitten, aber doppelt so mutig und neugierig und weiß schon genau was sie will – und was sie nicht will. Ich denke mir, wenn Leonie die Kätzchen eine Woche lang so weiter füttert, dann brauchen diese anschließend eine Abspeckkur.
Nach dem Mittagessen beschließt der Bauer: Genug gearbeitet. Wir machen einen Ausflug und fahren zum See. Auf dem Rückweg kaufen wir noch einen Käse.“ Gesagt, getan.
Im kleinen Fiat (Allrad aber Rappelkiste) fahren wir gemütlich bis zum Ende eines Seitentales des Sarntals und entdecken einen schönen See. Und so machen wir gemeinsam einen Sonntagsspaziergang um den See herum. Das finde ich lustig, denn ich hätte nicht gedacht, dass sich der Bauer für so etwas überhaupt die Zeit nimmt. Er scheint es aber zu genießen und die beiden Männer quatschen unentwegt.

Anschließend fahren wir mit dem Auto nach Reinswald, ein kleiner Skiort mit Liftanlage und nach kurzem Fußmarsch „müssen“ wir Kuchen essen, dort wo es einen schönen Mühlenpark am Bach und im Wald zu erwandern gibt. Aber wir wandern nicht, wir essen Kuchen und trinken Kaffee, vom Bauer spendiert. Auf dem Rückweg zum Auto dann noch Käse kaufen, der schmeckt prima.
Auf der Heimfahrt dann fährt der Bauer plötzlich rechts ab, parkt auf einem Parkplatz neben mehreren Forellenteichen und meint: „Das Auto fährt nicht mehr“, grinst. Wir wundern uns, steigen aus und fragen uns, ob er vielleicht Forellen kaufen möchte? (Oje, und die müsste ich dann womöglich am nächsten Tag zubereiten; keine Ahnung wie das geht!). Nein, weit gefehlt. Er marschiert ins dazugehörige Restaurant, bleibt neben der Eistruhe stehen und grinst wieder. Der Bauer möchte noch ein Eis essen. Am meisten freut sich da natürlich Leonie, naja, der Rüdiger natürlich auch. Nach Ankunft zu Hause geht es wieder in den Stall. Gegen 22:00 Uhr Abendbrot und danach ab in die Heia. Die Nacht ist kurz. Der Montag beginnt für die Männer, wie jeder Morgen mit der Stallarbeit.

Als ich am Dienstagabend mit in den Stall muss, weil ich gegen Leonie eine Wette verloren habe, bin ich erstaunt, wie Rüdiger ganz selbstverständlich einen Arbeitsgang nach dem anderen erledigt. Er sieht in seinem Blaumann so aus, als würde er das schon immer machen.

Nach den Kühen kommt das Kalb dran. Es bekommt angerührte Milch aus einem Eimer, der einen „Nuckel“ besitzt. Es stößt beim Trinken manchmal so fest den Eimer an, dass die Milch aus dem Eimer schwappt. Eines der beiden Jungtiere bekommt aus diesem Eimer anschließend Wasser, zum Entwöhnen, sagt der Bauer. Dieser hat wie immer wenn er Helfer hat, währenddessen bereits mit dem Melken begonnen. Beim Melken werden die Kühe vom Bauer manchmal gebürstet. Schön den Rücken entlang, das tut denen gut. Da gibt eine gute Milchkuh auch schon einmal 30-35 Liter Milch und der Bauer erhält pro Liter verkaufter Milch 50 Cent.
Aber zurück zum Montag. In der Nacht gabs ein kräftiges Gewitter und nur allmählich klärt sich der Himmel etwas auf. An Heumachen ist bei solchem Wetter nicht zu denken.
Ein gutes Stück unterhalb des Hofes liegt ein teils flacher, seitlich dann steiler werdender Hang. Hier hat der Bauer gemäht und wartet nun darauf, dass das Gras trocken genug ist, um es einzuholen. Aber immer wieder kommen Regenschauer dazwischen. Und er muss noch viel Heu machen – ansonsten wird er welches kaufen müssen.

Der zweite Schnitt, der Grummet, ist somit auch fraglich. Hänge mit Grünfutter gibt es genug, vor allem die, die zu steil sind, um mit den größeren Maschinen bearbeitet zu werden. Hier kann er bis zu einem gewissen Grad noch mit seinem Mähgerät mit Motor arbeiten. Dieses besitzt seitlich zwei dicke walzenähnliche und mit Noppen versehene Leichtmetallräder, welche sich in die Wiese eindrücken, um ein Abrutschen zu verhindern. Wird’s dann doch zu steil, packt der Franz die Sense aus. Und das kann er wirklich gut. Grünfutter wird also jeden Tag geschnitten, immer für den Abend und den darauffolgenden Morgen. Und man glaubt nicht, wieviel 16 Kühe hiervon vertilgen können. An einem Tag, ich glaube am Dienstag, gehen die beiden auf einen Hang weit unterhalb des Hofes. Der Bauer ist mit der Wiese dort nicht zufrieden. Er hat neu eingesät, aber es will nicht so recht wachsen. Also werden erst einmal die größeren Steine von der Wiese abgesammelt. Die findet man überall und die stellen natürlich eine Gefahr für die Maschinen dar und sollen ja auch nicht mit ins Futter geraten. Anschließend verteilen die beiden Stallmist auf dem Hang, um ihn zu düngen. Zwei richtige „Mistkerle“ sind die. Aber den Spruch findet Rüdiger am Abend dann irgendwie nicht so lustig. Ich schon.
Da das Wetter also schlecht ist, geht es heute in die Werkstatt. Der Bauer hat einen Auftrag für seinen Bruder zu erledigen. Hinter der Werkstatt liegen Lärchenstämme, die längsten davon 8 m. Er muss Balken und Bretter hieraus machen, die sein Bruder für eine Überdachung braucht. Dieser wartet wohl auch schon einige Zeit auf sein Bauholz. Auch in der Werkstatt herrscht ein ziemliches Durcheinander, aber den Bauer kümmerts wenig. Ich glaube allerdings, es gibt so gut wie nichts an Werkzeug, was der Bauer nicht hat. Nur wo? Sägemehl türmt sich unter der riesigen Bandsäge und überhaupt liegt überall Holz herum, Reststücke und Abfall (womöglich für den Winter zum Heizen der Werkstatt), es gibt dort
natürlich auch einen alten Küchenherd. Aber es gibt auch jede Menge Maschinen, vermutlich alles, was des Schreiners Herz begehrt.
Vor der Tür liegen also die Stämme, die entrindet werden müssen und von Astansätzen befreit werden müssen, bevor sie den Weg in die Werkstatt und auf die Säge finden.

Anschließend werden sie dann mit einer Drahtseilwinde, ziemlich improvisiert und ideenreich aber mit riesiger Kraftanstrengung hereingezogen und auf das Gestell der Säge gehievt. Bei jedem Ruck oder Schieben ertönt das Kommando „Und, ho!“. Es ist ein Wahnsinn, was die beiden da treiben. Gefährlich ist es auch, denn so ein Stamm kann locker mal einige hundert Kilo wiegen. Wie er so etwas alleine bewerkstelligt, möchte ich von Bauer wissen. Er grinst nur und meint: „Jo, das geht auch. Man muss erfinderisch sein und es dauert dann halt länger.“ Bretter sollen gesägt werden. Hierzu wird der Stamm auf das riesig lange Gestell der Bandsäge gehievt, justiert und mit Haken befestigt, damit er einigermaßen in der Waage liegt. Man muss bedenken, die wenigsten Stämme sind kerzengerade. Dann wird der Stamm erst einmal „eckig gesägt“, das heißt auf jeder Seite eine Scheibe ab, somit auch die Rinde und übrig bleibt ein dicker rindenfreier Balken. Hier muss natürlich vorher bereits gerechnet werden, damit nicht zuviel weggenommen wird, und der Verschnitt möglichst gering bleibt. Also die Dicke der Bretter und jeweils die Dicke des Sägeblattes müssen hierbei berücksichtigt werden. Und hier zeigen die beiden dann wirklich, was die draufhaben. Jedes Rechenergebnis wird noch dreimal hin und her diskutiert, bis man einstimmig beschließt, jetzt stimmt’s. Säge an und los. Nach dem ersten Schnitt erneutes Einstellen des nächsten Schnittes, dann Stirnrunzeln, Schulterzucken, Mist. Der Schnitt war falsch. Sie hatten sich offensichtlich doch verrechnet. Sie lachen und sehen es gelassen. Dann gibt’s eben ein Brett weniger.

Ein anderes Mal ähnliche Vorgehensweise. Und wieder stimmt etwas nicht. Ich äußere den Verdacht, dass die beiden irgendwo in der Werkstatt möglicherweise eine Flasche Schnaps vor mir verstecken. Auf die Frage hin, wo diese denn sei, müssen sie wieder lachen und meinen, dass es da keine gibt. Es könnte allerdings sein, dass, wenn sie tatsächlich eine hätten, die Sache mit dem Rechnen allenfalls besser klappen könnte. Am Ende kommen dann doch noch einige Bretter bei der Sägeaktion heraus, die durchaus akzeptabel sind und für diesen Tag machen sie mit den Sägearbeiten Schluss. Mittagessen ist angesagt und anschließend muss natürlich irgendwann noch das Grünfutter für die Kühe gemäht werden.
Ach ja, da fällt mir ein, dass ich erwähnen muss, dass wir immer feudal speisen. Von wegen karges Bauernmahl. Das gab’s nur am Samstag. Der Bauer ist vor allem immer sehr ideenreich, wenn ich die Frage stelle, was ich kochen soll. Fällt mir nichts ein, frag ihn und prompt bekomme ich eine Antwort. Pfannkuchen oder gefüllte Paprika mit Hackfleisch oder Putenschnitzel. Aber paniert müssen die sein. „Weißt du, erst in Mehl, dann in Ei und dann in Paniermehl.“ Klar, weiß ich doch. (Was ´ne Arbeit!) Aber hier macht das Kochen sogar Spaß. Ich habe ja die Zeit dazu und die Ideen, wie gesagt, bekomme ich geliefert. Prompt.

Die Sache mit den gefüllten Paprika war übrigens auch nicht von schlechten Eltern. Die Paprikas waren riesig, also passte auch entsprechend viel Hackfleisch hinein. Somit braucht’s natürlich auch seine Zeit, das ganze gar zu bekommen. Der Ofen ist genau der, mit dem auch das Brauchwasser bzw. Wasser für die Heizung erwärmt wird. In der Küche an der Wand befindet sich ein Thermostat, welches die momentane Wassertemperatur im Boiler, anzeigt. Der Boiler befindet sich auf dem Dachboden. Wie bereits erwähnt, kocht das Wasser schon bei ca. 93°C. Da ich den Ofen nun ordentlich anheizen musste, um die Paprikas gar zu kriegen, kroch die Wassertemperatur stetig höher und war irgendwann am Siedepunkt angelangt. Ein lautes Dröhnen und Blubbern drang vom Dachboden bis in die Küche herunter und ich bekam langsam Angst, der Boiler würde mir gleich um die Ohren fliegen. Der Tipp vom Bauer war, dem entgegenzuwirken, indem man den Heißwasserhahn eben aufdreht. Dann würde kaltes Wasser nachfließen und die Situation sich schnell beruhigen. Ich weiß nicht, wie viele Badewannen ich hätte mit dem heißen Wasser füllen können, welches ich nun in regelmäßigen Abständen weglaufen ließ. Ich weiß aber bestimmt, dass es in der Küche allmählich so warm wie in einer Sauna wurde und ich noch nie zuvor mit so viel Herzpochen und hektischen Flecken im Gesicht ein Gericht in einem Backofen zubereitet habe. Als das Essen dann endlich fertig war, war ich es auch.

Ich glaube Dienstag ist es, wo ich am Abend erstmals mithelfe das Grünfutter zu mähen. Der Bauer mäht mit der Sense, wir rechen es auf den Weg. So kann er die entstandene „Futterwelle“ mit dem Wagen aufsammeln. Das Stehen in einem sehr steilen Hang ist wirklich eine Kunst und anstrengend ist es dazu. Aber egal. Endlich mal keine Hausarbeit. Die Küche ist sauber, die Fenster sind geputzt, die Vorratskammer aufgeräumt, Johannisbeermarmelade ist gekocht, und, und, und …. Hausarbeit eben, wie daheim.

Als ich dann am Mittwoch quengele, ob er keine Arbeit für mich hat, meint er: „Ja schon. Du kannst die Rinnen sauber machen.“ Ich denke dabei sofort an irgendwelche Dachrinnen und bereue gleich ein bisschen überhaupt gefragt zu haben. Mit Rinnen ist aber etwas ganz anderes gemeint. Die Straße hinter dem Haus führt zu einer Alm hinauf. Ca. 1 Stunde Gehzeit. Auf der Straße, die kurz hinter dem Hof zu einem breiten Forstweg wird, befinden sich, wie überall in den Bergen, schräg/quer verlaufende Regenabflussrinnen. Der Bauer meint, dass wir die mal freimachen könnten. Es sei ein schöner Gang dort hinauf auf die Alm. (Oder will der uns loswerden?) An der ersten Rinne kurz hinter dem Haus zeigt er Leonie und mir wie es geht und dann marschieren wir los, ausgestattet mit einer Gartenharke und einem Rucksack mit was zu trinken und einer Regenjacke im Gepäck. Wir machen also eine nützliche Wanderung! Gute Idee.
Natürlich benötigen wir mehr als eine Stunde, denn wir halten ca. alle 20 Meter an, um eine Rinne von Lehm und Schottersteinchen zu befreien. Manche sind beinahe dicht und da würde kein Wasser mehr richtig ablaufen können. Wir wechseln uns ab. Die ersten Rinnen (etwa 20) sind aus Holz, danach folgen Metallrinnen, welche aber, je höher wir kommen, immer weniger Dreck beherbergen, bis die letzten dann völlig frei sind.
Als wir am Gatter der Alm ankommen, trauen wir uns allerdings nicht hinauf. Wir hören jede Mengen Kuhglocken, sehen die Tiere aber nicht. Irgendwie ist unsere Angst vor den Kühen dort größer als unsere Neugierde. Die Alm ist eh nicht bewirtschaftet und so verzichten wir auf den Ausblick von dort oben. Wir hatten während des Weges an mehreren Stellen einen sehr schönen Blick auf die gegenüberliegenden Hänge und das Tal, so dass wir, so denke ich, nicht viel verpassen.

Also gehen wir nach einer kurzen Rast wieder hinunter. Vielleicht gibt es ja auch noch etwas zu tun. Wir sind hier schließlich nicht im Urlaub.
Und klar. Wieder einmal ist Mähen angesagt. Die Männer haben heute viel Zeit mit Holzzuschneiden verbracht, aber jetzt ist wieder das Futter für die Kühe dran.
Am Donnerstag verspricht das Wetter ab Mittag trocken zu bleiben und so fällt klar die Entscheidung, das Heu vom flacheren Stück des Hanges unterhalb des Hauses muss gewendet werden. Vielleicht können wir es ja am Freitag dann einholen.
Während der Bauer mit dem Heuwender den Hang abfährt, gelangt er jedoch nicht ganz bis an die Ränder. Hier arbeiten wir ihm mit dem Rechen zu und bringen das Heu vom schräg abfallenden Rand in seine Reichweite. Irgendwann macht er beim Herunterfahren eine Geste und winkt und ich denke, er will uns zeigen, was wir vielleicht anders machen sollen.

Dann aber hält er neben uns an und zeigt auf den unteren, ungemähten Teil der Wiese, wo ein Hirsch steht und völlig ungerührt, höchstens ein wenig neugierig zu uns hochschaut. Das ist schön und man merkt sofort, auch dem Bauer geht das Herz auf. Immer wieder schaue ich von der Arbeit auf und der Hirsch steht noch immer da. Bestimmt eine halbe Stunde. Irgendwann ist er dann verschwunden.
Das Heu muss jetzt noch etwas trocknen und wenn alles gut geht, können wir den ersten Teil am späten Nachmittag bereits einholen.
Es ist Zeit sich um das Mittagessen zu kümmern. Außerdem möchte ich nach Leonie schauen, die schon vorher zum Haus zurückgegangen war. Sie spielt mit den Katzen oder fotografiert die Gegend. Irgendetwas findet sie immer und sie meckert selten. Ein prima Kind. Wie ich oft sage: Easy going. Unproblematisch. Einmal sitzt sie in der Küche und hört Musik. Sie nimmt ein Video auf und plötzlich kräht draußen einer der beiden Hähne. Das Krähen passt aber so genau in das Musikstück, welches gerade läuft, dass ich richtig lachen muss, als sie mir die Aufnahme vorspielt. „Das darf ich auf keinen Fall löschen“, sagt sie.

Nach dem Mittagessen sitzen wir immer für eine Weile in der Küche. Hierbei hat der Bauer immer nette kleine Geschichten zu erzählen. Dass er aber jetzt schon müde ist, ist nicht zu übersehen. Klar, es liegen bereits 7 Std. Arbeit hinter ihm. Auch Rüdiger nickt am Tisch beinahe ein, da muss schnell ein Kaffee her. Es ist schließlich erst Halbzeit. Auch der Bauer trinkt entgegen seiner Gewohnheit eine halbe Tasse mit. Er ist halt auch „schläfrig“. Anschließend geht’s wieder auf die Heuwiese. Der Bauer kommt mit dem Wender, der das Heu nicht nur wendet, sondern es ebenso zusammenschieben kann, so dass lange Reihen auf der Wiese entstehen. So lässt es sich später mit dem Wagen problemlos einholen. Da er hierbei aber nie das gesamte Heu erwischt, müssen wir den Hang anschließend mit dem Rechen nacharbeiten. Hierfür erhalten wir dann ein anerkennendes Lob, dass wir sehr gründlich arbeiten, der Hang sauber ist und es ihn freut, dass er nicht nacharbeiten muss.

Aber genug gelobt, jetzt kommt „schon wieder“ das Grünfutter für die Kühe dran. Man hat das Gefühl, dies ist eine nie endende Geschichte. Immer wieder und wieder und wieder.
Als ich den Bauer eines Abends frage, wie er das alles Tag ein, Tag aus schafft, antwortet er: „Wieso? Das geht schon. Und es ist Sommer, gutes Wetter, lange hell, alles ist grün und wächst und es ist warm. Der Winter ist viel schlimmer. Da wird im Wald Holz gemacht, es ist oft kalt und nass. Da freut man sich auf die warme Stube. Und ist man endlich daheim, muss man nach einem anstrengenden Tag noch in den Stall.“ Er besitzt mehrere Motorsägen und die eine oder andere hat sogar eine „Handwärmeeinrichtung“, so dass einem bei der Arbeit die Hände nicht taub werden. Na, das nenne ich Fortschritt?!
Ich versuche mir das alles vorzustellen, es gelingt mir aber nicht wirklich. So frage ich mich, worüber wir uns eigentlich so oft beklagen. Dürfen wir das überhaupt?
Nach dem Grünfutter gehe ich ziemlich verschwitzt und ein bisschen kaputt, aber dennoch zufrieden zum Haus zurück. Das Abendessen muss gerichtet werden. Hierzu habe ich allerdings genügend Zeit, denn die Männer verschwinden wie immer zuerst im Stall. Ich nutze dann die allabendliche Stunde oder zwei zum Schreiben dieser Zeilen. Ich möchte alles festhalten. Für uns und für die, die es interessiert.

Leonie geht ganz selbstverständlich mit in den Stall, sie kennt die Tiere schon so genau und hat ihren Spaß vorauszusagen, wie welche Kuh ihr Futter genießt oder wann immer dieselbe Kuh mit Hilfe ihrer Hörner das Gitter herunterklappt, welches zum Futterverteilen hochgeklappt wird, damit die Kühe erst mal (vermeintlich) nicht dran kommen, damit man das Futter besser in die Tröge verteilen kann und den Tieren auch mit der Heugabel nicht weh tut. Sie kommt nur immer etwas früher zurück, nämlich bevor es ganz dunkel wird, denn da hat sie Angst. Sie sagt, der Weg zum Haus hinauf sieht im Dunkeln gar gruselig aus. Da hat sie Recht. Dunkel heißt hier oben am Berg nämlich „richtig dunkel“.

Meinen Auftrag doch einmal ein Foto von den Männern im Stall zu machen, erledigt sie prompt und kehrt mit einem gelungenen Foto der beiden zurück. Rüdiger im Blaumann und „unser“ Bauer, wie immer mit Hut und seinem dunkelbraunen Kittel, der mich jedoch eher an ein total cooles Jeanskleid für Frauen erinnert. Man muss dazu wissen, dass der Bauer bereits im Frühjahr die meiste Zeit in kurzen Hosen arbeitet. Und damit meine ich nicht eine Hose, die bis kurz über die Knie reicht, sondern richtig kurz. Seine Arme und Beine sind sonnengegerbt und hier und dort finden sich Narben und Schrammen, die er sich vermutlich bei der Arbeit zugezogen hat.

Am Tag zuvor hatte er sich offenbar beim Sägen in den Finger geschnitten. Was er anschließend um den Finger trug, glich eher einem Klebeband als einem Pflaster. Das passt zu diesem Mann, der gerade etwas über 1,60 m groß ist, drahtig und fit, ein bisschen schräg geht, die eine Schulter etwas tiefer als die andere, der aber Hände hat wie ein Kerl von mindestens 1,90 m. Der Bauer ist 63 Jahre alt, aber warum soll man den offiziellen Weg nehmen, wenn es eine Abkürzung gibt, die man hinunter springen kann?!
Er erzählt gerne über die Leute im Dorf oder seine Nachbarn. Die Art, wie er solche Dinge erzählt, ist einmalig. Kurz, knapp, mit wenigen Worten und grundsätzlich ohne Bewertung oder Kommentar. Diese kommen dann meist von uns und dann lacht er und sagt nur: „Jau“.

An einem Abend werde ich von ihm gefragt, ob er am Morgen etwas mehr Milch vom Melken mitbringen soll. Ich sage, die übliche Menge würde reichen, und wir hätten noch etwas da. Kurze Pause, dann der Satz: „Aber wenn du einen Pudding kochst…?“. „Ja“, sage ich. „Wenn ich einen Pudding koche, dann brauche ich auf jeden Fall mehr Milch!“ Ein Schmunzeln und der Bauer bekommt am nächsten Tag natürlich seinen Pudding zum Nachtisch. Das hätte er ja auch anders sagen können. Aber diese Art ist nun mal typisch für ihn.

Es ist Freitag und schon früh steht fest, dass der zweite Teil des Heus rein muss. Für den Nachmittag oder frühen Abend sind Gewitter gemeldet. Würden wir es heute nicht schaffen, das Heu einzuholen, könne er es wegwerfen.
Am Morgen der übliche Gang in den Stall. Ich bekomme meine Milch für den Pudding. Dann fahren sie ins Dorf zum Milchwagen. Aber die kommen gar nicht wieder, die beiden. Später erfahre ich, sie waren einkaufen, wie jeden Morgen, aber auch noch bei der Post, im Werkzeugladen und auf der Rückfahrt beim Bruder, der weiter unten an der Straße wohnt. Dann rappelt es, ebenfalls wie jeden Morgen, unterhalb des Hauses und der kleine Fiat mit angehängtem Milchbottich rollt in Richtung Milchküche und Stall. Allerdings rappelt es heute nicht ganz so laut wie sonst, weil Rüdiger am Vortag etwas an der Aufhängung des Milchbottichs gebastelt hat, so dass die Streben nicht mehr so viel „Spiel“ haben.
Als der Bauer zum letzten Heuwenden in den Hang fährt, vermischt Rüdiger einen riesigen Ballen gehäckseltes Stroh mit Sägemehl. Eine staubige Angelegenheit ist dies und er hustet und prustet später noch einige Male. Diese Mixtur dient als Streu für die Kühe. Überhaupt kommt nichts um. Nur wenig Müll entsteht, der wirklich entsorgt werden muss. Kunststoff und Plastik wird in einem Sack gesammelt und von Zeit zu Zeit mit runter zur Müllsammelstelle genommen. Essensreste bekommen die Katzen oder die Hühner. Zu Anfang der Woche bekomme ich auf meine Frage, wohin mit dem „Biomüll“ die Antwort: „Wirf’s einfach über’n Zaun. Das holen sich die Hühner.“ Ich frage mich wie das hinter’m Zaun wohl aussehen mag. Aber Fehlanzeige, die Hühner leisten ganze Arbeit. Ich sage: „Ich will zu Hause auch so einen Zaun und Hühner!“ Wir lachen.
Übrigens die Hühner sind wirklich brave Tierchen. Jeden Vormittag kann ich 6-7 Eier aus dem Hühnerstall holen. Manchmal hockt noch die ein oder andere Henne im Kasten und legt grade erst ihr Ei. Sie schauen dann so, als wollten sie sagen: „Hey du, musst später wieder kommen, wir sind noch nicht so weit!“ Also gut, komme ich halt später wieder. Wenn ich dies dann tue, sind einige der Eier noch ganz warm. Das ist wirklich was Schönes und viel besser als einkaufen.
Zur Belohnung bekommen die dann immer was aus meinem Bioeimer, und loben tu ich sie natürlich auch. Da kann man mal sehen. Kaum zwei Tage dort und ich spreche schon mit den Hühnern.

Von den 20 Hühnern, die der Bauer ursprünglich hatte, sind momentan nur noch 14 übrig, denn ab und zu holt sich der Fuchs eines davon. Einen der beiden Hähne (den weißen nämlich) wollte er sich wohl auch einmal holen, als dies eine freiwillige Helferin sah und den Fuchs mit lautem Geschrei verjagte. Dieser ließ vor Schreck den Hahn fallen und lief davon. Der Bauer war sich zunächst nicht sicher, ob der arme Hahn den Schock überleben würde, etwas benommen und wackelig auf den Beinen torkelte er ein paar Tage herum. Doch dann war er wieder ganz der Alte, nur nicht mehr ganz so eingebildet und seither hat der andere Hahn, der schwarze, die Oberhand.
Geht der Bauer hin und möchte einmal wieder neue Hühner kaufen, so sagt die Frau, bei welcher er sie immer erwirbt: „Na, brauchst du mal wieder was für den Fuchs?“
Nach dem Mittagessen quatschen sich die Männer in der Küche fest. Sie fachsimpeln über ein defektes Teil an einem Heuwender. Die Maschine hat der Baier noch neu und unbenutzt seinem Bruder geliehen und anschließend war diese dann defekt. Sie reden darüber, dass man so etwas doch eigentlich anders bauen müsse, damit es nicht so anfällig sei und der Belastung besser standhalten könne. Wie dem auch sei, ich kann da gar nicht mitreden.

Der Bauer, und das ist wirklich lustig, liest den Katalog für Landwirte, in welchem immer die neuesten Errungenschaften landwirtschaftlicher Technik beschrieben und angeboten werden, wie unsereins den Otto-Katalog. Egal wie „schläfrig“ er ist und wie sehr ihm die Augen zufallen möchten – und er reibt am Tisch seine Augen unentwegt – dieser Katalog weckt ihn wieder auf. Auch Gespräche über Maschinen, die ihm nützlich sein könnten führt er nur zu gern.
Also gehe ich vor die Tür und setze mich ein wenig in die Sonne. Die ist, wenn sie denn einmal scheint, richtig heiß und man muss schon bald wieder ein schattigeres oder zumindest weniger windgeschütztes Plätzchen aufsuchen.
Da fällt mir ein, dass ich doch fragen wollte, ob der Bauer noch etwas zu waschen hat. Die Maschine, eine gute Miele, kann doch während wir das Heu einholen brav vor sich hin waschen. Seine Wäsche stopft der Bauer höchstpersönlich in die Trommel und meldet mir dann gehorsamst, dass er fertig sei und ich die Maschine anmachen könne.
Sie verschwinden nach unten und fahren in die Heuwiese. Ich sage, ich käme nach.
Als ich jedoch die kunterbunte Mischung in der Trommel begutachte, Handtücher, Socken, eine dunkle Jogginghose etc., beginne ich zu zweifeln. Eigentlich war eine 60°-Waschladung geplant. Was ich da erkennen kann, ist alles andere als weiße oder zumindest helle, 60°-taugliche Wäsche. Auch wenn der Bauer meint: „Was vorher zu groß war, könnte hiernach endlich passen.“ Ich ziehe eine dunkle, wollige Jogginghose aus der Trommel und denke mir, die muss ich auf der Hand waschen, anders passt die höchstens noch dem Kater. Ich beginne, die Hose in der Dusche auf der Hand zu waschen. Welch weise Entscheidung. Die „Brühe“ ist fast schwarz und das nicht etwa weil die Hose ihre Farbe verliert. Andernfalls wären es die Handtücher in der Maschine anschließend auch gewesen.
Draußen höre ich den Motor vom Traktor und die beiden fahren los. Also Beeilung, ich möchte auf jeden Fall mithelfen. Als ich nach draußen komme, ist ganz klar, das werde ich auch müssen. Über dem Tal braut sich ein Gewitter zusammen und es ist bereits ein leises Donnergrollen zu hören.
Am Hang angekommen, erfolgt die Anweisung alles Heu, welches auf dem ganz steilen Teil noch liegt und einen Tag länger zum Trocknen benötigt hatte, da am Waldrand gelegen, nach unten auf den Weg zu schaffen. Dies geschieht, wie sollte es auch anders sein, mit unserem mittlerweile gut vertrauten Helfer, dem Holzrechen. Die Wiese misst ca. 50 x 70 Meter. Hierbei entstehen nach kurzer Zeit enorme „Heuhaufen“ oder besser gesagt „Heurollen“, die zu bewegen schon einige Mühe kostet. Dabei hilft es aber, dass der Hang so steil ist und mit der richtigen Technik bewegt sich dann immer wieder ein Stück der Rolle einige Meter allein durch die Schwerkraft weiter hinunter.
Wir schwitzen wie die Schweine, selbst der Bauer, der sonst nie schwitzt. Dieser ist so nett und bringt uns die Flasche Wasser, die wir blöderweise oben stehen gelassen hatten mit hinunter, als er nach der ersten Ladung mit leerem Wagen zurückkehrt. Er selbst trinkt nie bei der Arbeit.
Das Donnern wird lauter, der Himmel wird dunkler und wir haben noch die Hälfte vor uns. Ich befürchte, dass wir es nicht schaffen bevor es zu regnen anfängt. Also weiter, keine Pause, denn wir wollen’s unbedingt schaffen.
Der Hang wird wie am Vortag komplett mit dem Rechen gesäubert und Stück für Stück die großen Heuberge nach unten befördert, wo der Bauer damit beginnt die zweite und letzte Wagenladung aufzunehmen. Kurz vor Ende fallen die ersten Tropfen. Jetzt heißt es Gas geben und schnell zur Scheune. Ich laufe zurück und es stört mich nicht auf den letzten Metern nass zu werden. Auf dem Weg hat der Bauer jedoch noch Zeit eine Rinne vom Schlamm zu befreien, damit das Regenwasser den Weg nicht in eine Schlammpfütze verwandelt. Das macht er notgedrungen mit bloßen Händen. Als ich zu Fuß auch dort ankomme, hält er mir mit breitem Grinsen die völlig schlammverschmierte Hand entgegen und sagt: „Grüaß di!“ Ich reiche ihm lachend meine Hand und dabei wird mir erst bewusst, dass ich ja noch immer meine Handschuhe anhabe. Hätte ich doch auch die Rinne säubern können. Aber egal. Schnell die Hand notdürftig am Gras abgewischt, ab in den Wagen und hoch zum Stadl.
Ich bin so froh, dass wir’s geschafft haben. Zu Rüdiger sagt der Bauer wohl später, dass er es gut fand, dass wir uns so beeilt hätten und wieder einen sauberen Hang zurückgelassen hätten … und ganz ohne Pause!
Ich gehe also hoch zum Haus und habe, wie Rüdiger, einen hochroten Kopf. Ab ins Bad und einmal abwaschen, denn da ist auch viel Staub auf der Haut. Das sehe ich anschließend an meinem Handtuch, hoppla, war wohl nicht genug Wasser. Egal. Auf jeden Fall erklärt sich damit auch die Färbung des „Jogginghosen-Waschwassers“ von zuvor. Auch die war möglicherweise voller Staub.
Als ich wieder aus dem Bad herunterkomme, sehe ich die beiden nirgendwo. Sind vermutlich noch im Stadl. Aber nein. Der Regen war kurz und kräftig und hat inzwischen aufgehört. Ich finde die beiden am Hang oberhalb des Hauses mal wieder beim Grünfuttermähen. Rüdiger bittet mich mitzuhelfen. Ihm schmerzt seit Tagen die rechte Hand (die linke auch, aber deutlich weniger) und ich vermute, dass es sich dabei um eine Sehnenscheidenentzündung handelt. Die Beschwerden hat er nicht erst jetzt, aber so heftig waren sie noch nie. Ich denke, da ist ein Arztbesuch fällig, wenn wir wieder zu Hause sind.
Am Abend werden wir damit belohnt, dass zwei Hirsche, einer mit schönem Geweih, der jüngere jedoch ohne, ganz nah beim Haus stehen und äsen.
Leonie kommt in die Küche gestürmt und schreit, ich solle unbedingt mit nach draußen kommen. Der Anblick der beiden Tiere ist wirklich wunderschön. Ganz nah und gar nicht scheu stehen die beiden dort nebeneinander und schauen abwechseln zu uns auf.
Rüdiger steht draußen vor dem Stall und genießt den Anblick. Der Bauer hält, so sagt Rüdiger, jeden Abend während der Stallarbeit immer wieder Ausschau nach ihnen und freut sich, wenn sie wieder da sind. Er klettert an diesem Abend sogar auf den „Mistentsorger“ über dem Misthaufen, um besser sehen zu können. So erzählt Leonie. Sie sagt: Der Verrückte, ist auf den Kackeabstreifer geklettert. Das ist einer!“
Leonie versucht ein Foto von den beiden Tieren zu machen, aber es ist wohl doch schon zu dämmrig und es lässt sich auch mit Blitz nichts ausrichten. So müssen wir das Bild in unseren Köpfen speichern. Genau dies wird der Bauer auch tun müssen, denn am darauf folgenden Tag, am Tag unserer Abreise, fallen plötzlich drei Schüsse ganz in der Nähe. Kurz drauf kommen ein Mann und eine Frau in Jägerkluft die Straße hinaufgefahren und parken oberhalb der Wiese beim Hof. Selbstherrlich und doof kommen die zwei daher und meinen doch mal schauen zu müssen, was sie denn da nun hätten.
Ich mache mir Sorgen und befürchte, dass sie nun eines dieser beiden herrlichen Tiere erlegt hätten. Sie machen sich auf den Weg in den Wald. Rüdiger sagt, sie hätten nur auf Hasen geschossen, doch diese Auskunft gibt er mir, weil Leonie dabeisteht. Später gibt er zu, dass der Bauer gesagt habe, sie hätten wohl das jüngere der beiden Tiere, das ohne Geweih, erlegt. Wir sind traurig und geschockt. Blödes Jägervolk. Was der Bauer davon hält, können wir nur vermuten. Er sagt nichts.
Aber das spricht meiner Meinung nach für sich. Sagte er doch vor ein paar Tagen zu Rüdiger: „Es ist doch viel schöner diese Tiere anzuschauen, als ein altes Auto.“ Ich denke, er meinte damit einen Oldtimer.)
Bevor wir später abfahren, kommen noch zwei weitere Autos angefahren, eines davon mit einer großen, offenen Ladefläche. Klar, da werden viele Hände benötigt, um dieses prächtige Tier aus dem Wald zu bergen.
Traurig sind wir, aber nicht nur wegen des Hirsches, sondern weil die Zeit der Abreise gekommen ist. Trotz der harten Arbeit, und das nicht nur, weil sie ungewohnt ist, sondern auch nicht selten 16 Stunden des Tages einnahm – und da darf man auch mal „schläfrig sein“ – sind unsere Herzen auf einmal schwer. Keine weiteren kleinen Geschichten über die eigenwilligen Typen, die man hier findet wie zb. der Milchmann mit Pflaster auf der Stirn, der auf des Bauers‘ Frage hin, was ihm denn zugestoßen sei, antwortet, er habe versucht mit dem Kopf zu arbeiten. Hätte der Mann die Frage wahrheitsgetreu beantwortet, würde heute niemand mehr davon erzählen.

An einem Nachmittag hatte der Bauer dem Rüdiger stolz seinen Krahn im Stadl gezeigt. Mit diesem kann er das Heu aufschichten. Einmal hatte er jedoch auf diesem Kran gesessen, als der Strom plötzlich ausfiel und er im Finstern saß. Es dauerte ihm zu lange und er begann dann irgendwie am Ausleger hinunter zu klettern, da er sich irgendwie in der Mitte, womöglich genau über der Luke zum Stall befand. Nachdem diese halsbrecherische Aktion gelungen war, war dann auch der Strom wieder da.

Wir haben den Bauern als einen liebenswerten und ruhigen, aber vor allem ungemein fleißigen Mann kennengelernt. Sein Humor und unser kölsches Gemüt haben sich prima ergänzt. Wir haben uns wohl gefühlt, trotz der harten Arbeit.
Und nie habe ich auch nur einmal ein „Fluchen“ oder „Schimpfen“ von diesem Mann gehört. Geht mal etwas schief, so nimmt er es gelassen, sagt: „Jeu, oder hou“ und macht dann das Beste draus. So ist er halt.
Musste eine Arbeit erledigt werden, so war bereits ab dem ersten Tag ein Satz Standard: „Aber heute noch!“. Manchmal aber auch ein anderer Spruch, nämlich: „Noch 5 Minuten!“. Aber nur, wenn es einen Aufschub zuließ. Dies stand auf Rüdigers Kaffeebecher und gab exakt Rüdigers 1. Gedanken des Tages wider, wenn am Morgen der Handywecker um kurz nach 5 Uhr losging.
Nun stehen wir am Auto und wollen uns verabschieden. Keiner will den Anfang machen. Dann, nach einer Weile fängt der Bauer an und bedankt sich für unsere Hilfe. Wir seien sehr fleißig gewesen und hätten viel geschafft. Am Abend zuvor sagte er zu mir: „Dass freiwillige Helfer soo fleißig seien und noch dazu soo nett, das isch allerdings eher selten.“
Darauf kann ich nicht antworten. Ich bin jedoch sehr gerührt.

Auch wir bedanken uns bei ihm, doch er winkt ab. Er sagt, wenn alles so bliebe wie es ist und auch er gesund bliebe, könnten wir uns ja vielleicht einmal wiedersehen. Ich nehme ihn in den Arm und wünsche ihm genau dieses, dass er gesund bleibt. Auch noch viele fleißige Helfer und jede Menge Heu im Stadl für den Winter wünsche ich ihm. Und auch der Rüdiger tut dies. Anschließend sehe ich in die feucht-glänzenden Augen meines Mannes.
Am Morgen bei seinem letzten Gang in den Stall habe er bereits einen rührigen Moment gehabt und es beinahe bedauert, heute noch abzureisen. Dasselbe ging mir im Kopf herum, als ich am Vormittag das Haus auf den Kopf gestellt habe und noch einmal richtig reine machte. Noch einmal ein „Büttchen Bunt“ für den Bauer. In frischer Bettwäsche könnte man ja doch besser schlafen, gab dieser dann zu. Na hoffentlich ist die Wäsche bis zum Abend auch trocken. Dann müssen wir flott ins Auto steigen, um nicht doch noch loszuheulen.

Ich denke noch sehr oft an „unseren Bergbauernhof“, die Ruhe, die Aussicht, wenn man vor dem Haus steht. Eigentlich hätte ich gegen eine weitere Woche nichts gehabt. Der Rüdiger vielleicht auch nicht, wären da nicht die Schmerzen in seinem Arm.
Einmal, als es ums Mittagessen ging und der Bauer mich fragt: „Kannst du auch Knödel?“, da muss ich leider verneinen. Mir fehlt das entsprechende Rezept.
Aber wer weiß, vielleicht im nächsten Jahr.