Landwirt – April 2024

Landwirt – April 2024

Das Bild der Landwirtschaft

Freiwillige Arbeitseinsätze sind eine große Hilfe für Südtirols Bergbauernhöfe. Darüber hinaus tragen sie aber auch zu einem besseren Verständnis der städtischen Bevölkerung für die Landwirtschaft und deren Leistungen bei. Eine Masterarbeit hat sich mit dem Thema befasst.

Christine Schleicher hat Regionalmanagement an der Hochschule Weihenstephan Triesdorf studiert. Ihre Masterarbeit schrieb sie über das Thema „Die Auswirkungen von Freiwilligenarbeit auf die Wahrnehmung von Landwirtinnen und Landwirten am Beispiel von Freiwilligeneinsätzen in Südtirol“. So untersuchte sie, wie sich die Sicht der Städtern auf das Berufsbild Landwirt/Landwirtin oder auch die Wertschätzung gegenüber den erzeugten Lebensmitteln verändert, nachdem sie einen freiwilligen Arbeitseinsatz auf einem Südtiroler Bergbauernhof geleistet haben. Dafür hat Schleicher einen Vorher- und einen Nachher-Online-Fragebogen entwickelt, um daraus die Wirkung ableiten zu können. In gekürzter Form sind hier die Hauptergebnisse ihrer Studie zusammengefasst:

Insgesamt zeigte sich ein überwiegend positives Bild des Berufs Landwirtin/Landwirt, insbesondere die Fachkenntnisse werden anerkannt. Aus den qualitativen Daten geht zudem hervor, dass die Wertschätzung und das Verständnis für die Südtiroler Bergbäuerinnen und Bergbauern durch einen Freiwilligeneinsatz steigen kann, teilweise sogar langfristige Beziehungen entstehen. 

Die Arbeitsbedingungen der Bergbäuerinnen und Bergbauern werden als mittelmäßig bis schlecht wahrgenommen, wobei die Beurteilung nach dem Einsatz negativer ausfällt. Neben dem gesellschaftlichen Ansehen und der Einkommenssituation wird insbesondere die körperliche Belastung, negativ beurteilt. Nach dem Einsatz rücken einerseits externe Faktoren wie die Wetterabhängigkeit und Verwaltungsauflagen in den Fokus, zugleich erhöht sich das Bewusstsein für die finanzielle Situation und die körperliche Belastung der Bergbäuerinnen und Bergbauern. Dass die Freiwilligen die Zukunft für den Berufsstand nach ihrem Einsatz pessimistischer sehen, ist auch als Konsequenz der negativen Beurteilung der Arbeitsbedingungen zu sehen. Die Freiwilligen sehen die Arbeit der Landwirte eng mit der Natur und Tieren verknüpft und legen viel Wert auf einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen eher umweltbezogenen Faktoren. Nach Ansicht der Freiwilligen, kommen die Südtiroler Bergbäuerinnen und Bergbauern diesen Funktionen weitestgehend nach, wobei die Landschaftspflege durch einen Freiwilligeneinsatz noch stärker wahrgenommen wird. Dagegen kommt den ökonomischen Aspekten wie Wettbewerbsfähigkeit oder dem Technik Einsatz grundsätzlich weniger Bedeutung zu. Jedoch kann ein freiwilliger Arbeitseinsatz das Bewusstsein für die Wichtigkeit der ökonomischen Aspekte steigern.

Die größten Effekte wurden rund um das Thema Technik bzw. den Einsatz von Maschinen erzielt: Technik sowie die damit verbundenen Fachkenntnisse werden als wichtiger erachtet und zudem verstärkt wahrgenommen. Darüber hinaus wird ein Bewusstsein für die damit verbundenen Kosten erlangt. Durch einen Freiwilligeneinsatz auf einem (zumeist konventionell bewirtschafteten) Südtiroler Bergbauernhof wird der Unterschied zwischen ökologischer bzw. konventioneller Landwirtschaft geringer beurteilt. Die Wichtigkeit des Betreibens ökologischer Landwirtschaft verliert an Zustimmung, insbesondere bzgl. der Umweltverträglichkeit scheinen die Freiwilligen nach ihrem Einsatz weniger Unterschiede in den Bewirtschaftungsarten zu sehen. Die durchweg positive Wahrnehmung lässt sich durch unterschiedliche Faktoren erklären: Einerseits entspricht die Südtiroler Landwirtschaft durch ihre Kleinstrukturiertheit und Bewirtschaftungspraxis weitestgehend dem Idealbild, welches von der Gesellschaft gewünscht wird. Andererseits ist von einer verhältnismäßig starken Preselektion der Freiwilligen auszugehen: Demnach engagieren sich primär Personen, welche ein Interesse an Landwirtschaft und den damit verbundenen Aufgaben haben. Häufig hatten die Freiwilligen bereits vor ihrem Einsatz Kontakt zu Landwirten, etwa die Hälfte der Befragten hat sogar schon einen Freiwilligeneinsatz geleistet. Über alle Fragenbereiche hinweg wurde festgestellt, dass alleine der vor dem Freiwilligeneinsatz bereits bestehende Kontakt zu Landwirtinnen und Landwirten entscheidend ist, wie sehr sich die Einstellungen verändern. Zusammenfassend lässt sich zur Beantwortung der Forschungsfrage sagen, dass die Südtiroler Bergbäuerinnen und Bergbauern und damit die Landwirtschaft von den Freiwilligen positiv wahrgenommen werden. Wenngleich Freiwilligenarbeit kaum die Attraktivität des Berufs Landwirt steigern kann, kann sie dennoch die Wertschätzung und das Verständnis für die Multifunktionalität und die individuelle Situation der Bäuerinnen und Bauern erhöhen.  Diese Erkenntnis unterstreicht den Nutzen landwirtschaftlicher Freiwilligenarbeit für resiliente Regionen so wie die Gesellschaft als Ganzes. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass Freiwilligenarbeit zukünftig durch die Politik gestärkt werden sollte, damit der breiten Gesellschaft ein Zugang gewährleistet werden kann.