Landwirt – Januar 2024

Landwirt – Januar 2024

Einfach anrufen und ansuchen …!

Der Verein Freiwillige Arbeitseinsätze teilt Südtiroler Bergbauernhöfen Helferinnen und Helfer zu. Viele nehmen das Angebot an, andere könnten aber noch Hilfe brauchen, ist Koordinatorin Monika Thaler überzeugt. Sie ermutigt Bäuerinnen und Bauern anzufragen, die Chance zu nutzen. interview: renate anna rubner

Die größte Arbeitsbelastung am Bergbauernhof ist während der Heuernte, dazu werden am meisten Freiwillige gebraucht und vermittelt. So unterschiedlich die Situation auf den heimischen Bergbauernhöfen ist, so vielfältig gestaltet sich auch die Arbeit, die freiwillige Helferinnen und Helfer dort leisten können. Den Erfolg eines Arbeitseinsatzes bestimmen beide Seiten mit: die Bauernfamilie ebenso wie die Freiwilligen. Die Kombination möglichst gut aufeinander abzustimmen, ist Aufgabe des Vereins Freiwillige Arbeitseinsätze.  Koordinatorin Monika Thaler erklärt im Interview mit dem „Südtiroler Landwirt“, dass rückblickend die Erfahrungen auf beiden Seiten großteils sehr positiv sind. Und auch wenn der erste Schritt – nämlich das Ansuchen beim Verein – vielleicht Angst machen kann, sind freiwillige Helferinnen und Helfer für viele Bergbäuerinnen und -bauern eine Bereicherung, die jeden für sich und alle gemeinsam wachsen lässt: Sie bringen nämlich nicht nur eine Arbeitserleichterung in der Landwirtschaft, sondern auch Gesellschaft und Leben auf den Hof. Manchmal wächst sogar eine echte Freundschaft daraus.

Südtiroler Landwirt: Frau Thaler, wie viele Bergbauernhöfe hat der VFA im letzten Jahr mit freiwilligen Helferinnen und Helfern versorgt?
Monika Thaler: Im Jahr 2023 haben wir rund 260 Südtiroler Bauernhöfe betreut. Die meisten über die Zeit der Heuernte, die allerdings in schwierigen Lagen schon mal den ganzen Sommer dauern kann. Manche fragen aber auch schon beim Räumen der Wiesen um Hilfe an, beim Reparieren der Zäune und anderen Arbeiten im Jahresverlauf.

Für welche Arbeiten können Freiwillige überhaupt eingesetzt werden? Das ist eine gute Frage: Denn zwischen Können und Wollen liegen oft Welten. Prinzipiell können Freiwillige überall dort eingesetzt werden, wo sie gebraucht werden: Das heißt vor allem im Sommer beim Einbringen der Heuernte. Für diesen Zeitraum melden sich auch die meisten Freiwilligen, da passen Angebot und Nachfrage sehr gut zusammen. Aber die Arbeiten am Hof sind vielfältig und entsprechend vielfältig kann sich auch ein freiwilliger Arbeitseinsatz gestalten: im Stall, im Garten und auf dem Acker, im Wald, aber auch bei den Kindern/Senioren oder im Haushalt gibt es immer viel zu tun. Manchmal ist schon viel geholfen, wenn ein Freiwilliger, eine Freiwillige einfach für eine warme Mahlzeit für den (alleinstehenden) Bauern sorgt. Dass er/sie dann noch beim Heuen und/oder im Stall hilft, ist selbstverständlich, aber die Hilfe im Haushalt wäre auch sehr gefragt. Die andere Seite ist das Wollen: Besonders bei den Frauen würde man sich vielleicht erwarten, dass sie sich verstärkt im Haushalt einbringen, aber gerade sie sind es oft, die davon nichts wissen wollen, weil sie Haushalt ja das ganze Jahr über haben, und bei einem Arbeitseinsatz lieber etwas anderes machen möchten. Da liegt es dann manchmal an uns im Büro, sie auf den Boden der Realitäten zurückzuholen: Denn es muss manchen bewusst gemacht werden, dass es recht „erholsam“ sein kann, zwischendurch etwas Hausarbeit zu leisten, wenn man sonst den ganzen Tag draußen auf der steilen Wiese und in der prallen Sonne Heu wenden oder einbringen muss. Dabei erstaunt es uns aber immer wieder, wie zäh und mit wie viel Durchhaltevermögen Freiwillige auch schwierigste und anstrengende Arbeiten meistern, dass ihnen das sogar Freude macht und sie diese Knochenarbeit als befriedigend und schön empfinden. Und es ist wirklich bemerkenswert, wie viel manche Freiwillige können und wie vielfältig sie deshalb eingesetzt werden können. 

Ein Bauernhof hat an sich schon ein hohes Gefahrenpotenzial. Wenn gearbeitet wird noch mehr. Inwiefern haftet der Bauer/die Bäuerin, falls sich Freiwillige verletzen? Wenn der Bauer mit gesundem Menschenverstand handelt und die Sicherheitsbestimmungen entsprechend beachtet, also auf Gefahren hinweist und die Freiwilligen gut in ihre Arbeit einweist, ist sie/er in Ordnung. Denn es ist die Aufgabe von uns als Verein Freiwillige Arbeitseinsätze nicht nur Freiwillige zu vermitteln, sondern dass sie von uns auch unfall- und haftpflichtversichert werden. Die Unfallversicherung greift zum Schutz des Bauern, falls der/dem Freiwilligen bei der Arbeit etwas zustoßen sollte.

Was muss ein Bauer/eine Bäuerin tun, damit er/sie freiwillige Helfer zugewiesen bekommt? Das Erste ist der Griff zum Telefon: Jede Bäuerin/jeder Bauer, der sich für freiwillige Helfer interessiert, kann sich jederzeit bei uns melden und sich erkundigen. Grundsätzlich darf jede Bergbäuerin/jeder Bergbauer in Südtirol um diese Unterstützung anfragen, der Hof sollte mehr als 60 Erschwernispunkte aufweisen und oberhalb von 1000 Meter Meereshöhe liegen. Er darf ein gewisses Einkommen nicht überschreiten. Bewertet wird aber letztendlich die Situation am Hof: Sind die Kinder noch zu klein, um mitzuarbeiten? Sind pflegebedürftige Menschen mit am Hof? Wie ist die Familie aufgestellt, welche sind die Herausforderungen …

Das heißt, Sie kommen auf den Hof und bewerten die Situation? Auf jeden Fall. Nach dem ersten Gespräch am Telefon schaue ich mir jeden einzelnen Hof genau an, rede mit den Bauersleuten und kläre mit ihnen ab, wo der Schuh drückt, was sie sich als Unterstützung vorstellen. Und ich erkläre konkret, was sie sich erwarten können und was nicht.

Glauben Sie, allen bedürftigen Höfen helfen zu können? Ich bin mir sicher, dass es viele Höfe gibt, die Hilfe bräuchten, aber nicht anfragen. Weil vielleicht die Hemmschwelle zu hoch ist, um darum zu bitten. Weil sie Angst davor haben, jemand Fremden im Haus zu haben, weil sie sich schämen oder was auch immer. Ich aber appelliere an alle Bergbäuerinnen und Bergbauern, diese Ängste oder Bedenken abzulegen und sich zu melden. Den Sprung zu wagen und es einfach mal auszuprobieren. Es kostet nicht viel: Wir waren wegen der angespannten finanziellen Situation des Vereins gezwungen, von den Bauern einen jährlichen Beitrag von 50 Euro zu verlangen, aber dafür vermitteln wir Freiwillige, betreuen sie und die Höfe und wickeln auch verwaltungs- und versicherungstechnisch alles ab.

Was kann die Bäuerin/der Bauer dazu tun, damit ein freiwilliger Arbeitseinsatz gelingt? Gut funktioniert es immer dort, wo Bäuerin und/oder Bauer mit den Freiwilligen reden, ihnen erklären, was auf sie zukommt in ihrer Zeit am Hof, was wie zu tun ist und sie an die Hand nimmt. Es stimmt, manchmal sind es Leute, die von der landwirtschaftlichen Arbeit kaum oder gar keine Ahnung haben. Aber sie können gut in die Arbeiten hineinwachsen, wenn man sie unter die Fittiche nimmt und sie gut unterweist. Zwischendurch kann man auch mal nachfragen, wie es ihr/ihm geht, wie die Arbeit gefällt, ob alles in Ordnung ist. Man kann auch auf die neue Arbeitskraft eingehen, weil man ja sieht, wie sich jemand anstellt, wo sie/er vielleicht Schwierigkeiten hat und wo Fähigkeiten, und entsprechend darauf reagiert. Zum Erfolg trägt auch bei, wenn die Freiwilligen in die Familie integriert werden, wenn sie teilhaben dürfen und sie als Mensch wahrnimmt.

Welche strukturellen Voraussetzungen braucht ein Hof bzw. die Bauernfamilie, um freiwillige Helferinnen und Helfer aufnehmen zu können? Strukturell braucht es nur ein Schlafzimmer mit einem Bett und einem Schrank, wo man seine Sachen ablegen kann. Das Bad kann gemeinsam mit der Familie benutzt werden, da braucht es kein eigenes. Die Freiwilligen teilen Leben und Arbeit mit der Familie, wenn beide Seiten wollen, verbringt man auch Zeit gemeinsam, aber die Freiwilligen müssen auch die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen.

Innerhalb welcher Frist können sich Bäuerinnen und Bauern melden? Und wie nehmen sie am besten Kontakt mit dem VFA auf? Fristen gibt es bei uns an sich keine. Aber: Wer zuerst kommt, hat die größere Wahrscheinlichkeit, jemanden in der Zeit zugewiesen zu bekommen, wo er/sie es am meisten braucht. Es melden sich ja schon lange Freiwillige für einen Arbeitseinsatz in diesem Jahr an. Mit ihnen führen wir ein Erstgespräch, um abzuklären, ob ihnen klar ist, worauf sie sich bei ihrem Arbeitseinsatz einlassen, und zu verstehen, welche Erfahrungen und Fähigkeiten sie mitbringen. Dann bekommen sie, etwa einen Monat vor dem Einsatzzeitpunkt, eine Auswahl an Höfen, die in Frage kommen. Die müssen wir natürlich kennen, deshalb ist es sinnvoll, sich jetzt schon anzumelden, weil wir einfach gewisse Vorlaufzeiten haben, vor allem bei neuen Höfen. Aber prinzipiell kann man sich das ganze Jahr über melden und wir versuchen dann unser Bestes, um den Bäuerinnen und Bauern zu helfen, wenn der Schuh drückt.

Dann muss man halt nehmen, was es gibt …? Ganz so ist es nicht: Wenn wir einem Hof Freiwillige zuteilen, dürfen die sich nicht direkt bei der Bäuerin/beim Bauern melden. Wir nehmen Kontakt mit dem Hof auf, schlagen unsere Auswahl vor und fragen, ob das passen kann. Dann hat sie/er immer noch die Möglichkeit, Ja oder Nein zu sagen. Das letzte Wort liegt also bei der Bäuerin/beim Bauern. Wenn sie/er einverstanden ist, meldet sich die/der Freiwillige und macht alles Weitere mit den Bauersleuten aus, beispielsweise wann und wie jemand anreist, ob sie/er irgendwo in der Nähe abzuholen ist. Wenn dann alles klar ist, kommen wir wieder ins Spiel und versichern die/den Freiwilligen für die vereinbarte Zeit.

Und wenn es trotz allem doch nicht gut läuft zwischen Freiwilligen und Bauern? Dann sollte man bei uns anrufen, weil wir ja wissen müssen, welche Probleme es gibt und woran die Zusammenarbeit scheitert. Wichtig ist, dass die Bauersleute ehrlich sind mit den Freiwilligen und ihnen auch sagen, wo es hapert. Denn freiwillige Helferinnen und Helfer sollen keine Belastung, sondern eine Erleichterung sein, dazu sind sie da. Aber ich muss sagen, es kommt selten vor, dass es nicht klappt. In der Regel läuft es gut.

Wie sind die Rückmeldungen von Seiten der ansuchenden Bäuerinnen und Bauern? Die Resonanz von Seiten der Bäuerinnen und Bauern ist durchwegs sehr positiv: Es ist für sie einfach angenehm zu wissen, dass sie die Arbeit am Hof und im Feld nicht allein stemmen müssen, dass jemand da ist. Oft entstehen auch enge Kontakte, ja, Freundschaften zwischen Helfern und Bauersleuten. Es geht nämlich nicht nur um die Arbeitserleichterung, sondern auch um die menschliche Komponente, die Freiwillige mit auf den Bauernhof, in die Bauernfamilie bringen. Da geht es nicht nur um die Unterstützung sondern um Gemeinschaft, Freundschaft.

verein freiwillige arbeitseinsätze Jetzt Anträge stellen! Georg Mayr, Obmann des Vereins Freiwillige Arbeitseinsätze, erklärt: „Seit seiner Gründung im Jahr 1996 will der Verein Freiwillige Arbeitseinsätze eine Stütze sein für die extremen Bergbauern im Land.“ Es gebe immer mehr Höfe, die aufgelassen oder gar verkauft werden. „Das ist traurig und schade. Und ein großer Verlust für alle“, unterstreicht der Obmann und appelliert an Bergbäuerinnen und -bauern: „Der Verein bietet Hilfe in Situationen, in denen man alleine nicht mehr weiterkommt.“ Das bringe Entlastung und könne eine Überbrückungsmöglichkeit sein. Wer die Voraussetzungen erfüllt, soll keine Scheu haben oder sich gar schämen, anzufragen.Wir sind für sie da.“ Alle Bergbäuerinnen und -bauern können um Freiwillige anfragen. Das entsprechende Formular gibt es im Büro des Vereins und in den Bezirksbüros des Südtiroler Bauernbundes. Die Daten können auch online über www.bergbauernhilfe.it übermittelt werden.

Kontakt: Verein Freiwillige Arbeitseinsätze
Leegtorweg 8, 39100 Bozen
Tel. 0471 999309
E-Mail: info@bergbauernhilfe.it