Landwirt – Mai 2022

Landwirt – Mai 2022

Stallarbeit statt Schweden-Urlaub

Ein Aufruf, der auf Facebook über 280-mal geteilt wurde und ein deutsches Ehepaar dazu bewog, seinen Urlaub kurzerhand in einen freiwilligen Arbeitseinsatz zu verwandeln. VFA-Koordinatorin Monika Thaler ist gerührt. Und sehr dankbar.

Ein Bergbauer fällt von einem auf den anderen Tag aus. Er ist schwer krank, die Familie schwankt zwischen Schock, Bangen und Hoffnung, die Arbeit am Hof wartet aber nicht. deshalb braucht es Hilfe von außen, das wird allen schnell klar. Die Bäuerin ruft beim Verein Freiwillige Arbeitseinsätze an. Koordinatorin Monika Thaler besucht den Hof und regelt alle Formalitäten. Im Büro durchforstet sie mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Freiwilligenkartei, schreibt einige an, leider ohne Erfolg.

Am Tag danach setzt sie einen Aufruf ab: über die eigene Webseite und über Facebook. Dieser Post wird über 280-mal geteilt, Monika Thaler kann es kaum glauben. „So viel Solidarität und Hilfe hatte ich mir nicht erwartet“, sagt sie dankbar. Und schon gehen einige Hilfsangebote ein, das richtige ist aber (noch) nicht dabei. Dann geschieht etwas Denkwürdiges: „Es hat sich ein Ehepaar aus Norddeutschland gemeldet, das gerade einen zweiwöchigen Schweden-Urlaub antreten wollte, per Zufall unseren Facebook-Post in die Hände bekommen und sich spontan umentschieden hat: Nun sind sie mit ihrem Camper
über 1000 Kilometer nach Südtirol gefahren und helfen zwei Wochen lang am Hof“, erzählt die Koordinatorin. Und das Sahnehäubchen: Der Mann kann die Stallarbeit voll autonom machen. Und auch sonst sind beide überall einsetzbar, wo es auf dem Hof gebraucht wird. „Und es sind total feine Leute noch dazu“, sagt Monika Thaler, so sei der Familie schon mal geholfen. Danach folgen zwei weitere Wochen, für die sich schon ein anderer freiwilliger Helfer gemeldet hat.

Jens Kahl und seine Frau Helga, er Fluglehrer, sie Sozialpädagogin, spielten schon lange mit dem Gedanken, mal einen Sommer auf der Alm zu verbringen. Deshalb ist Jens Mitglied in einer entsprechenden Facebook-Gruppe. Er hat eine landwirtschaftliche Lehre gemacht und arbeitete danach als Betriebshelfer in verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben. Später hat er sich beruflich umorientiert. An dem Morgen, an dem er und seine Frau eigentlich in Richtung Schweden aufbrechen wollten, sah er in dieser Facebook-Gruppe den Aufruf des Vereins Freiwillige Arbeitseinsätze. Ganz spontan entschieden sie, sich beim VFA zu melden, und sind dann gleich losgefahren – statt Richtung Norden ging es nach Süden und über den Brenner nach Südtirol.

Um die Familie nicht zusätzlich zu belasten, wohnen die beiden am Hof in ihrem Camper: „Zum Duschen gehen wir ins Bauernhaus, das ist bequemer für uns“, sagt der freiwillige Helfer, „ansonsten sind wir lieber unabhängig.“ Sie fühlen sich gebraucht und wertgeschätzt, die Atmosphäre ist trotz der schwierigen Umstände gut. „Es mag komisch klingen, weil uns ein tragisches Ereignis hierhergeführt hat“, sagt Jens Kahl, „aber dieser freiwillige Arbeitseinsatz verspricht für uns eine der schönsten Erfahrungen überhaupt zu werden.“
Monika Thaler ist dankbar. „Ich hätte mir nie erwartet, dass so viele Leute unseren Aufruf teilen“, sagt sie gerührt. „Und dass wir dadurch auch noch zwei so tolle Leute finden konnten, die den langen Weg auf sich genommen haben, um mitzuhelfen, statt für zwei Wochen durch Schweden zu reisen, ist einfach unglaublich!

Jens Kahl und seine Frau Helga sind spontan für einen freiwilligen Arbeitseinsatz nach Südtirol gekommen.