Südwest Presse – Juli 2022

Südwest Presse – Juli 2022

Keine gemütlichen Ferien auf dem Bauernhof

EHRENAMT Der Weißenhorner Reinhold Reibl. Arbeitet jeden Sommer auf Bergbauernhöfen in Südtirol. Die Arbeit ist hart, aber sinnfüllend, sagt der 65-Jährige. Von Sonja Fiedler

„Und wann kommst du ins Tauferer Ahrntal?“ Mit diesem Slogan wirbt die Südtiroler Bergregion um Urlaubsgäste. Neben hohen Gipfeln locken hier, in Südtirols „rauem, wildromantischem Norden“, wie es heißt, „die unendlichen Weiten der Almwiesen“. Genau diese Almwiesen hat Reinhold Reibl aus Weißenhorn in diesem Sommer schon kennengelernt. Doch im Gegensatz zu vielen Touristen weiß der 65-Jährige aus erster Hand, wie rau das Leben in dieser Bergregion wirklich sein kann.

Für zwei Wochen hat Reibl auf einem Berghof in 1200 Metern Höhe geholfen – auf dem Feld, im Stall und im Wald. Für den Ingenieur war das nicht der erste Einsatz: Seit 2018 arbeitet er jedes Jahr für einige Wochen im Frühsommer auf Südtiroler Höfen, auf denen es eine Notlage gibt. Auf dem Hof im Ahrntal sei beispielsweise der Landwirt erkrankt, der Jungbauer dadurch die einzige Arbeitskraft gewesen.

„Und in der zweiten Junihälfte ist Heuernte, der Erstschnitt, das muss geerntet werden, und eine Person allein schafft das nicht.“ Vor allem bei einem steilen Gelände, das nicht mit großen Traktoren und Maschinen bearbeitet werden kann. „Da ist alles Handarbeit.“

Dass Freiwillige für die Arbeit auf den Berghöfen gesucht werden, habe er vor einigen Jahren zufällig auf einem Flyer der Südtiroler Bergbauernhilfe erfahren, erinnert sich Reibl. Die Organisation ist auch für die Abwicklung der freiwilligen Einsätze zuständig. Inzwischen hält Reinhold Reibl selbst Vorträge über seine Zeit in den Bergen.

Interessiert habe es ihn gleich, doch sei er damals beruflich noch zu sehr eingespannt gewesen. Als er dann in den Vorruhestand gegangen sei, habe er sich gedacht: „Jetzt mach ich es!“ Sein erster Einsatz führte Reinhold Reibl auf einen abgelegenen Hof in einem Seitental des Sarntals auf 1600 Meter Höhe. „Ein Milchbauernhof mit 17 Kühen, jeden Morgen muss der Bauer sieben Kilometer den Berg runter, um die Milch wegzufahren.“

Die Herausforderung der körperlichen Arbeit sei beachtlich gewesen. „Die ersten drei Tage habe ich schon geschlafen, bevor ich im Bett war.“ Doch stets versuche er, so viel zu helfen wie möglich. „Ich lass mich drauf ein, es sind ja nur zwei Wochen. Für den Bauern sind es 52, jedes Jahr. Daher sag ich: Ärmel hochkrempeln, egal welche Tätigkeit auf mich wartet.“

Noch zweimal kehrte Reibl ins Sarntal zurück, dann ging es auf einen anderen Hof. „Der Bauer dort war komplett allein, daher musste ich nicht nur im Freien helfen, sondern auch kochen.“ Also hieß es für ihn: um fünf Uhr aufstehen und Frühstück vorbereiten. Anschließend ging es zur Arbeit ins Freie oder in den Stall zu den Kühen. Mittags wurde gekocht, gegessen und anschließend draußen weitergearbeitet.

Der genaue Tagesablauf richte sich nach dem Wetter und den Notwendigkeiten, sagt Reinhold Reibl. „Aber es sind immer Arbeitstage von 14 bis 16 Stunden.“ Womit klar sein sollte: Mit Ferien auf dem Bauernhof hat dies alles nichts zu tun. Trotzdem möchte Reibl die Erfahrungen nicht missen. „Es sind einfach so schöne Erlebnisse mitten in der Natur. Manchmal ist auch das Wetter extrem, wenn man zum Beispiel vor lauter Wolken nichts mehr sieht. Sonst hat man einen tollen Blick in die Berge.“

Wenn die zwei Wochen rum sind, frage er sich jedes Mal, wer sich eigentlich bei wem bedanken müsste. „Es sind letztlich so tolle Wochen.“ Man bekomme einen unschätzbaren Blick hinter die Kulissen und unterstütze Menschen, die in und mit der Natur leben. Als dieses Jahr die Zeit auf dem Hof dem Ende entgegenging, habe die Landwirtsfamilie ihm ein Geschenk überreicht. „Doch es war zu groß, es hat nicht mehr in meinen Rucksack gepasst.“ Also habe er seine Bergstiefel und seine Hausschuhe einfach auf dem Hof gelassen. „Im nächsten Jahr komme ich zurück.“