Unsertirol.com – September 2020

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Freiwilliger Arbeitseinsatz auf dem Bergbauernhof

Jahr für Jahr verbringen tausende von Menschen ihren Urlaub auf eine ganz besonders sinnvolle Art: Sie helfen um Gotteslohn auf einem Südtiroler Bergbauernhof. Um zu erfahren, was dabei die Helfer motiviert und welche Erfahrungen sie sammeln, hat UT24 mit dem jungen Ehrenamtler Paul Decarli über seine Erfahrungen gesprochen.

Gestartet wurde das Projekt „Freiwillige Arbeitseinsätze“ vor fast 25 Jahren von einigen Köpfen, welche die Nöte der Zeit erkannten. Mit der zunehmenden Urbanisierung und Abwanderung von den Höfen geriet das seit Jahrhunderten eingespielte System der Nachbarschaftshilfe ins Wanken. Die Arbeit blieb jedoch dieselbe. Mit Unterstützung des Südtiroler Bauernbundes, der Diözesan-Caritas, der Lebenshilfe und des Südtiroler Jugendrings konnte ein Verein aus der Taufe gehoben werden, welcher sich dieser Sache annahm und die Organisation und Koordination von freiwilligen Arbeitseinsätzen übernahm.

Paul, was hat dich dazu bewogen auf einem Bergbauernhof mitzuhelfen?

Es hat einige Beweggründe gegeben, welche mich zu einem freiwilligen Arbeitseinsatz motiviert haben. Erstens grundlegend die Möglichkeit Menschen zu helfen, welche Hilfe benötigen. Wir leben immer mehr in einer Ellbogengesellschaft, wo wir den Blick all zu oft nur auf unsere Sorgen richten und dabei die Nöte anderer ausblenden. Dies kann für unsere Gesellschaft nicht gut sein. Zweitens wollte ich mit meinem Einsatz einen Beitrag zum Erhalt der einzigartigen Südtiroler Kulturlandschaft beitragen. Die Südtiroler Bergbauern prägen mit ihrer harten Arbeit in der schroffen Landschaft seit Jahrhunderten das Bild unseres Landes. Sie sind damit aktive Heimatbewahrer. Und drittens eine neue Erfahrung zu machen und über den Tellerrand hinauszublicken.

Wie empfandst du die Arbeit auf dem Bergbauernhof?

Es war eine anstrengende, aber durchwegs ehrliche Arbeit. Der Tag startete vor dem Sonnenaufgang und endete meist mit dem Untergang desselben Fixsterns. Während des Schaffens wurde mir erst richtig bewusst, welchen Einsatz die Bauern täglich für den Erhalt ihrer Lebensgrundlage leisten. Dabei ist vorausschauendes und genaues Handeln stets gefordert, um die Qualität der ganzen ökologischen Kreisläufe, in meinem Fall von der Ernte des Heus bis zum Melken der Kühe, auf einem Spitzenniveau zu halten. Es ist viel Erfahrung und Sorgfalt fürs Detail nötig, um die täglichen Herausforderungen der Arbeit zu meistern und am Ende des Tages mit ruhigen Gewissen zu Bett gehen zu können.

Welche Erfahrungen nimmst du von deinem Einsatz mit?

In erster Linie nehme ich Respekt, Demut und Anerkennung vor der Arbeit, welche die Bergbauern tagtäglich leisten, mit. Sie sind Pfleger und Erhalter unserer einzigartigen Tiroler Kulturlandschaft und damit ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft. Des Weiteren nehme ich auch die handfeste Überzeugung mit, dass man die Qualität und Hingabe bei den erzeugten Nahrungsmitteln schmeckt. In unserer heutigen, schnelllebigen Zeit sind wir uns nicht mehr richtig bewusst, welchen zum Teil großen Aufwand es benötigt, Lebensmittel herzustellen. Wir erachten die Sachen einfach für gegeben, ohne ihren wahren Wert zu kennen. Auch nehme ich die Gewissheit mit, neue zwischenmenschliche Kontakte geknüpft zu haben und dafür bin ich sehr dankbar.

Der 25 Jahre alte Paul Decarli hat für zwei Wochen auf dem Scharterhof bei Vintl mitgearbeitet. Der aus Auer stammende Decarli studiert Politische Wissenschaften an der Universität Innsbruck. Weitere Informationen zu der Arbeit auf den Südtiroler Bergbauernhöfen finden Sie hier: https://www.bergbauernhilfe.it/